Die Verfolgung des Magus

Koschtal, 09. Rondra 1012 BF

Nachdem der erste Blick in die hinter dem Wandschrank liegende Öffnung ein tiefer in den Berg führendes Gang und Kammernsystem erahnen ließ, machen wir kehrt und diskutieren unsere Möglichkeiten. Die Idee, den Berg zu umrunden und auf der anderen Seite nach dem Ausgang zu suchen wird von meinen Mitreisenden schnell verworfen, da dies auch die Wache erledigen könne. Wir informieren also die Wache, dass diese den hinter dem Bodrinstein liegenden See patrouillieren und Ausschau nach dem flüchtigen Magus halten soll. Aus dem Gasthaus organisieren wir noch ein paar Lampen und machen uns dann auf den Weg in den Gang.

Der Gang öffnet sich nach etwa halber Strecke durch den Berg und einem leichten aber stetigem Anstieg in einen größeren Raum, von dem zwei weitere Türen, eine nach oben steigende Wendeltreppe und ein Durchgang abgehen. Da wir aus dem Durchgang Geräusche und Licht erkennen können, teilen wir uns auf und flankieren dessen beide Seiten. Zu meiner Verwunderung zieht der jüngst zu uns gestoßene Rashid einen Spiegel aus der Tasche und kann damit erkennen, das der Flüchtige hastig ein paar Sachen in einen Koffer gepackt hat und sich aus dem Staub machen will. Nachdem auch ich, unter meinem Helm, die davon eilenden Schritte vernehme, hasten wir zügig in den angrenzenden Raum. Vengensfort war allerdings schon fort durch den einzigen weiteren Ausgang, eine Tür am Ende des Raumes. So leise es uns möglich ist, bewegen wir uns auf die Tür zu. Kurz denke ich darüber nach ob ich einem der anderen den Vortritt lassen soll, um, wie im Kriegsfall gegen Magier üblich, ein Bauernopfer die ersten schweren Zauber abfangen zu lassen. Ich entschließe mich dagegen und stürme voran durch die Tür.

Wie von mir vermutet, wartete der Magus in dem dahinter liegenden Raum auf uns und schleudert mir einen Zauber entgegen. Meine Willenskraft reicht nicht aus dem Zauberer zu trotzen und wie eine astrale Flut umspült mich dessen aufgezwungener Wille. Er versetzt mich in einen Zustand der Raserei in dem ich, vom Blutdurst getrieben, weder Freund noch Feind zu unterscheiden vermag und meinem nächsten nach dem Leben trachte. Wie von unserem Widersacher geplant ist nicht dieser mein nächstes Ziel, sondern der nachrückende Emmeran. Vollkommen überrascht vermag er die Gefahr nicht rechtzeitig zu erkennen und mein in Raserei geschwungener Rabenschnabel trifft ihn hart und reißt ihn von den Füßen. Schnell ist Rashid zur Stelle um meinem Nachsetzen Einhalt zu gebieten. Von der Macht des Zaubers getrieben setze ich auch diesem hart zu und verletze ihn schwer. Das beherzte Eingreifen von Rashid gibt Emmeran die Zeit aufzustehen und sich zurückzuziehen. Bevor ich noch weiteres Unheil anrichten kann gelingt es Wolfhart einen Gegenzauber zu sprechen, der mich davon abhält Rashid zu töten und mich zwingt an Ort und Stelle zu verharren. Einige Sekunden später fallen beide Zauber von mir ab und ich bin wieder Herr meiner Sinne. Der Anblick des verletzten Rashid entsetzt mich und ich Frage mich ob ich das wohl je wieder gut machen kann. Emmeran ist nirgends zu sehen, wie wir aber später herausfinden ist er die Gänge zurück gehastet um Hilfe zu holen.

Rashid drängt uns zur Eile den noch immer flüchtigen Magier zu finden. Er selbst ist zu schwer verletzt und kann nicht folgen, so dass Wolfhart und ich auf uns allein gestellt sind. Obwohl ich, von den Nachwirkungen des Zaubers völlig erschöpft bin, schleppe ich mich von Schuldgefühlen und Verantwortungsbewusstsein getrieben, vorwärts. Einige Räume und eine nach unten führende Wendeltreppe später stehen Wolfhart und ich vor einem heruntergelassenen Fallgitter, welches sich allerdings von unserer Seite öffnen lässt. Hinter dem Gitter endet der Gang in einer Art Becken in dem ein Boot vertäut ist mit dem man auf der Rückseite des Beckens auf den Bodrin herausfahren kann.

Meine letzten Kräfte mobilisierend stürme ich auf das vertäute Boot zu, welches Vengensfort gerade belädt. Voller Panik bricht der Magus seinen Beladevorgang ab und versucht das Boot abzustoßen um vor mir weg zu kommen. Die Aussichtslosigkeit dieses Vorhabens scheint ihm Bruchteile eines Augenblicks später klar zu werden, so dass er sich eines weiteren Zaubers gegen mich bedient. Die beschworene Pestwolke raubt mir den Atem und meine letzte Kraft. Ich breche kurz vor dem Boot zusammen. Wolfhart, der einige Momente nach mir losgestürmt ist schafft es der Wolke zu entgehen und auf das jetzt bereits abgestoßene Boot zu springen. Ein Kampf des Willens entbrennt zwischen den zwei Magiern und nur durch Wolfharts außerordentliches Pech  gelingt es Vengensfort zu entkommen. Wenigstens einen Koffer musste er dort lassen.

Den Rest des Tages verbringen wir damit unsere Wunden zu versorgen und zu hoffen, dass die Wache den Magus auf dem See aufgreift. Wie mir später berichtet wurde, entbrennt noch an dem Abend zwischen Rashid und Wolfhart ein unsinniger Streit. Ungeduld und Starrköpfigkeit treffen aufeinander und treiben Rashid und Wolfhart fast dazu aufeinander los zu gehen. Rashid fordert Einsicht in die von dem Vengensfort zurückgelassene Kiste um zu prüfen ob das Amulett dort zu finden ist. Wolfhart verwehrt ihm dieses Recht und als Rashid etwas ungebührlich seinem Wunsch Nachdruck verleiht, ist Wolfhart verstimmt und lässt die Kiste von der Wache auf sein Zimmer bringen ohne Rashid die Gelegenheit zu geben einen Blick hinein zu werfen. Glücklicherweise besinnt sich Wolfhart eines Besseren und untersucht die Kiste seinerseits. Neben den elfischen Pergamenten und dem magischen Dolch findet sich auch das Amulett in der Kiste, welches Wolfhart umgehend zu Rashid bringt und die beiden Streithähne können ihren Zwist beilegen.

Diesen Abend trifft noch die Nachhut von da Vanya im Gasthaus ein. 30 berittene Praoisritter, teils den Bannstrahlern zugehörig sowie deren Hauptmann Alrico da Vascangi und ein Priester der Bannstrahler Thalion Gorbersin.

Koschtal, 10. Rondra 1012 BF

An diesem Morgen treffen wir da Vanya sowie da Vascangi beim Frühstück im Gasthaus und erfahren, dass Bruder Thalion verlangen wird, in der Anklage gegen Liasanya sowie gegen den Magistraten als Ankläger zu fungieren. Gegen die Elfe, welche uns mittlerweile ein wenig am Herzen liegt, plädiert er vermutlich auf schuldig im Sinne der Anklagepunkte und ist fest entschlossen diese auch verurteilt zu sehen. Man wirft ihr Magieeinsatz gegen die Obrigkeit und Besitz von häretischen Gegenständen vor. Anklagepunkte die nicht zu entkräften sind, doch nach den mittelreichischen Gesetzen schützt der Tralloper Vertrag die Elfe vor Verurteilung. Heißt es doch: “Allwo eyn Elff ergriffen bei eyner tath wider der guthen Sitten oder wider eyn Eygenthum, dar solle man ihn Auffklärung angedyhen laszen, und moige er wyder guth machen die Tath und sodann seynes Weges Zihen.

Es bleibt allerdings zu bezweifeln ob Bruder Thalion das anerkennen wird und welche Taktik er sonst einschlagen will um doch noch zu einer Verurteilung zu kommen. Die Verhandlung soll auf Anraten von da Vanya noch an diesem Abend stattfinden. Wir sind damit einverstanden und ziehen uns zur weiteren Beratung auf eines der Zimmer zurück. Wolfhart ist der Meinung erst einmal die Gegenstände aus dem Koffer an da Vanya zu übergeben. Eine Meinung die ich nur eingeschränkt teile. Auch wenn ich da Vanya vertraue, so weiß ich nicht, ob der Dolch noch durch weitere Hände gehen sollte, oder bis zum Urteilsspruch sicher durch uns verwahrt werden sollte. Ist dieser doch aus Endurium und noch dazu mit Magie belegt. Berühmte aventurische Waffen wie die Kaiserklinge Alveranstreu sind aus diesem seltenen Metall geschmiedet und ich kann nur schätzen, dass alleine das Material des Dolches mehrere tausend Dukaten wert sein muss. Sicherlich würde eine ganze Reihe von Leuten für diesen Dolch töten wenn sie das wüssten.

Aus den Reiseerzählungen des
Boron-Geweihten Bruder Cordovan Boronar von Reuenhold