Ende eines Alptraums

Nach den Entbehrungen und erschütternden Ereignissen in Dragenfeld im Rahja des Jahres 1015 nach Bosparans Fall ziehen Baron Wolfhart, Ritter Cordovan, Emmeran und Rashid aus, um jeder auf seinen eigenen Wegen eine Antwort auf das Geschehene zu suchen - und vielleicht in dem ein oder anderen Fall zugleich den Ort des Schreckens möglichst weit hinter sich zu lassen.

Emmeran verlässt die Gruppe noch im östlichen Weiden und sucht die Druiden von Runhag auf, um ihnen von dem Ritual auf Burg Dragentod und Borbarads möglicher Rückkehr zu erzählen, sowie mehr über ihr Verständnis von Sumus Adern zu erfahren. (Aus regeltechnischer und magietheoretischer Sicht denken die Druiden leider innerhalb eines zu stark eingefärbten Gedankenkonstrukts von Sumus Leib und ihrer Lebenskraft - tröstlich an dieser Stelle nur, dass 1015 BF die Unwissenheit in der Magierschaft nicht wesentlich geringer ausfällt.) Die Ausbreitung der Wüstenei vor allem in Ost-West-Richtung erklären die Druiden mit den Hindernissen im Norden und Süden, die die Macht der gefallenen Gigantinnenleiber der Roten und Schwarzen Sichel nun mal darstellen. Bestätigen können die Druiden weiterhin, dass Sumu rund um Dragenfeld eine schwere Wunde geschlagen wurde, die auf viele Jahre, wenn nicht viele Jahrzehnte bar jedes Lebens sein wird.

Die in Salthel stationierte Geweihtenschaft des Praios stellt in den kommenden Wochen zweifelsfrei fest, dass sich die Weidener Wüstenei nicht weiter ausbreitet. Die Landschaft um Dragenfeld ist vollkommen verwüstet, es existieren nur Staub und Sand. Die lebensfeindliche Gegend darf fürderhin nur in Begleitung von Bannstrahlern oder Draconitern betreten werden. Für Handelsverkehr vom oder in das Bornland ist die Wüstenei auf herzögliche Anordnung hin gesperrt worden, so dass Händler auf den Sichelstieg ausweichen müssen. In Anbetracht der Ausmaße der Katastrophe lässt es sich nicht verhindern, dass ein Bericht im Aventurischen Boten die Öffentlichkeit über die Ereignisse in Kenntnis setzt (siehe “Blankes Entsetzen in Sichelwacht.”).

Emmeran gelingt es in den kommenden Wochen, den Hexenzirkel im Blautann in Weiden aufzusuchen und Kontakt mit Luzelin Silberhaar vom Blauen Wald, der weithin anerkannten Oberhexe Weidens, herzustellen. Luzelin erinnert sich gut an Emmeran Besuch vor nun mehr fast vier Jahren, als er ihr in Heidrunas Namen die Schwungfeder des Adlerkönigs aus dem Kosch überbracht hat. In langen Gesprächen zeichnet sich ab, dass die Ereignisse in Dragenfeld mit Luzelins eigenen düsteren Visionen zu tun haben könnten. Sie offenbart Emmeran, dass sie vor einiger Zeit Gwynna die Hex zu Herzog Waldemar an den Hof in Trallop geschickt hat, um ihn vor der zukünftigen Düsternis zu warnen. Bei allem Unverständnis wie eine Rückkehr Borbarads möglich sein kann, fürchtet sie dennoch, dass die Worte des Rubinauges der Wahrheit entsprechen.

Wolfhart, Cordovan und Rashid trennen sich in Baliho, nachdem die drei Mutter Linai Perainiane Arvenspfordt wohlbehalten in dem dortigen Traviatempel absetzen.

Cordovans und Rashids Reise führt die ungleichen Gefährten nach Süden in die Metropole Punin. Der Ritter vom Orden des Heiligen Golgari sucht dort den Tempel des Boron auf, in dem er damals seine Weihe empfangen hat. Rashid nutzt die lebendige und farbenfrohe Großstadt an der Grenze zur Khom und der Handelsstraße zum Horasreich, um die Konterbande (z.B. den Klumpen geschmolzene Arkaniumlegierung) gewinnbringend zu veräußern. Über seine Kontakte tauscht Rashid bei der Akademie der Hohen Magie und Arcanes Institut zu Punin Erfahrungen über die Ereignisse in Dragenfeld aus und erkundigt sich nach Borbarad. (Rashid kann hauptsächlich seine Beschreibungen der Ereignisse anbieten, besitzt selbst aber keine nennenswerten magischen Erkenntnisse und “Fingerzeige” zu “temporalen Umbrüchen etc.”; auch hier sei tröstend darauf hingewiesen, dass die hochangesehenen Magietheoretiker zu Punin sozusagen selbst noch im grauen Nebel der Sphären stochern, wobei diese wenigstens mit Begriffen wie “Planastrale Konnektio zum Limbus”, “Revidierter Bannspruch vs. Beschwörung”,, “Satinav, der dreizehngehörnte Wächter der Zeit”, “direktionaler Astralfluss” hantieren…) Rashid erfährt allerdings aus zweiter Hand, dass der bekannte Magister Salandrion Farnion Finkenfarn damit betraut wurde, die Untersuchungen der Akademie zu der Katastrophe in Weiden zu leiten.

Von der Alterung, dem nahenden Tod und der wundersamen Verjüngung tief berührt, spricht Rashid im Puniner Regenbogentempel, dem Haupttempel der Kirche der ewig jungen Göttin, vor. Der fensterreiche Tempel am Platz des Schweigens, steht örtlich wie sinnbildlich dem Gebrochenen Rad, dem gigantischen schwarzen Bauwerk zu Ehren Borons, gegenüber und erinnert die Menschen Punins so an den unveränderlichen Zyklus von Leben und Tod. Pasqua Sfalia, eine junge Geweihte mit blondmelierten Haaren und selbstbewussten blauen Augen, lässt sich von Rashid von dem Sturz und der Läuterung Laniares berichten und das Wunder eines zweiten Lebens beschreiben, das Rashid bei den beiden Geretten und der Gruppe erleben durfte. Ihr offener und ermunternder Zuspruch hilft Rashid eine der Tsa würdige Queste als Dank zu finden.

Danach verabschiedet sich Rashid von Punin und kehrt in seine Heimat Mhanadistan, in die alte und gefährliche Stadt Fasar in den Hügel am Oberlaufs des Gadangs, zurück, wohl wissend dass seine Vergangenheit dort auf ihn wartet. Ob Feqz, Patron der Kämpfer der Nacht, Rashid auch diesmal gewogen ist, muss sich zeigen, die Mächtigen Fasars verzeihen nicht, noch vergessen sie.

Cordovan verbringt viel Zeit im Tempel seines Gottes. In Meditation und Gebete vertieft, versucht er das Erlebte in Einklang mit seinem Glauben zu bringen. Cordovan trifft im Puniner Tempel auf Rafael Imperio da Zamora, Deuter Bishdariels und wie man sagt, schon vor seinem Eintritt in den Tempeldienst von Borons Traumbringer mit dem zweiten Gesicht gesegnet. Der kahle, hagere Almadaner mit den bohrenden braunen Augen ist ein Urgestein des Tempels, sicher weit über die 50 Jahre alt. Für ihn sind die verstörend lebensechten Träume ein Anzeichen dafür, dass der Frevel in Dragenfeld ein Tor in den Limbus geöffnet hat, gleich so wie einst Hesindes Tochter Mada in ihrem Frevel Brücken schlug, die verbunden, was getrennt gehört. Für die Bedeutung der Nacht Anfang Rahjas verweist der Diener Bishdariels düster auf die Sterne, deren Konstellation in wesentlichen Teilen mit der von 22. Boron 590 BF, oder 124 Rohal wie er sagt, übereinstimmt - dem Tag von Rohals und Borbarads Verschwinden in der Schlacht der Magier: “Aves steht ganz im Norden vor Uthars Pforte, die geöffnet ist, Levthan im Sternbild des Helden. - Borbarad war und ist Borons Macht nicht unterworfen. Rohals Opfer damals war vergeblich und kein Held unserer Zeit vermag sich dem Feind jetzt stellen.” (Ähnliche Hinweise lassen sich in den großen Bibliotheken Aventuriens in renommierten Akademien und Hesindetempeln finden. Am 22. Boron 590 BF kommt es zu einer gigantischen Schlacht in der gorischen Wüste, in der mehr als 2000 Streiter gegen Schergen und dämonische Monstrositäten Borbarads ins Feld ziehen. Fast niemand kehrt aus dieser Schlacht mit ihrer entfesselten magischen Macht zurück, die Schwarze Feste wird zerstört und Borbarad und Rohal werden entrückt - wohin ist unklar.)

Die mit Wolfhart und Emmeran gut bekannte Baronesse Fejana von Isenbrück hört über ihre offenbar gut informierten Kreise von der Rückkehr Cordovans in die Hauptstadt Almadas und lädt Cordovan in ihren Stadtkontor ein, um sich über das Wohl der Gefährten zu erkundigen (sie schließt Rashid und Liasanya in ihren Fragen ein). Als Cordovan erzählt, dass er die anderen in Falkenberg wieder treffen wird, bittet sie ihn einige Geschenke mit in den Norden zu nehmen.

Wolfhart selbst, gezeichnet von der Sorge um sein steinernes Auge und getrieben von seinem typischen Wissensdurst, verlässt die Gruppe, um gen Festum und eventuell weiter nach Neersand zu reisen. Für sein Lehen in Tobrien hat er derart entschlossen nur die knappe Zeit, eine Nachricht per Bote zu schicken. In der Academia Magica Transformatorica Festumiensis unterzieht er sich und sein Auge einer magischen Analyse nach allen Regeln der Kunst durch den Magister Emeritus Alwin Wippflügler. Der intensiv funkelnde Rubin (tulamdisch Almadin) weist Strukturen entfernt tulamidischer Magie sowie unbekannte, archaische Matrizen auf. Das vorherrschende Merkmal ist Hellsicht, daneben sind verborgene Einfluss- und Schadenskomponenten zu entdecken. Ein zentraler Teil der Matrizen vereint die Merkmale Hellsicht, Kraft sowie Limbus und erinnert den Magister Emeritus an das “Auge der Sphären - Das Wissen, um die Kraft zu mehren”, eine Formel, die in Punin und am Institut der Arkanen Analysen in Kuslik erforscht worden ist, und den Blick auf die Astralwelt freigibt.

Der Wert des Rubins ist laut dem Magister Emeritus deutlich im hohen dreistelligen Batzenbereich, sicher wäre man sich da erst, wenn man die ganze Größe kennt. Die Geschichte Aventuriens kennt weitere magische Rubine. Der berühmteste ist sicher der Stern von Selem, der durch viele Herrscherhände ging und ihnen großes Unglück brachte, unter anderem dem letzten bornischen Adelsmarschall, dessen Helm der Stern ziert, und ein Jahrtausend zuvor Hela-Horas, der selbsternannten Göttin und Urheberin der 2. Dämonenschlacht bei Brig-Lo. Alwin Wippflügler bemerkt erst spät in seinen fachlichen Details schwelgenden Ausführungen, dass dies durchaus etwas beunruhigend ist, wenn man gerade einen magischen Rubin unfreiwillig im Auge trägt und schließt schwach mit der Ermunterung, dass zum jetzigen Zeitpunkt noch gar keine Bewertung möglich sei und man weiter forschen müsse.

Wolfhart erhält zudem eine Audienz bei der Spektabilität Erzmagus Rakorium Muntagonus, der sehr interessiert an den Ereignissen in Dragenfeld ist und zu Wolfharts Erstaunen kaum überrascht scheint von den Offenbarungen. Der fahrige und getrieben wirkende Gelehrte springt bei Wolfharts Erzählungen von einer Schlussfolgerung zur nächsten und hält frustrierender Weise kaum inne, um sich zu erklären (“Soso… rapide Alterungsakkumulation… Sat’Nav ohne Zweifel… verflixte Niederhöllen direkte Manifestation so nah… tulamidisches Zahlenrätsel natürlich… was ist der Kehrwert von Null… ojojo… wäre die Gelegenheit für eine authentische Studie… invertierter Tempus… Ähnlichkeit zum Ritual des Chr’Szess’Aich… achachach… so viel zu tun, so wenig Zeit, für Sie natürlich kein Problem! Nur für mich…”). Als Wolfhart über das Liber Zhammoricam per Satinav und dessen Zerstörung berichtet, ist der Missmut des Erzmagus kaum so übersehen, genauso wenig wie seine offensichtliche Kenntnis der Inhalte und ihrer revolutionären, theologischen Auswirkungen. (“Ja, freilich, was glaubt denn Ihr, wovon ich seit dreißig Jahren immer wieder spreche. Hm? Auch so ein Zweifler, ja?”). Wolfhart sieht in der Spektabilität den ihm nur zu gut bekannten Drang und Wissensdurst widergespiegelt - ein schwacher Trost angesichts des abrupten Endes des Gesprächs mit dem Erzmagus (“Wie bitte? Ach, Ihr seid noch da. Tja, ich kann da jetzt nichts sagen. Ich muss erst mit Stoerrebrandt über eine Expedition nach Dragenfeld konferieren.”).

Bei den Studien in der Akademiebibliothek stößt Wolfhart neben historischen Hinweisen zur Regierungszeit Rohals und Borbarads Wirken im Krieg der Magier auf einen Exzerpt aus einem Werk mit dem Namen “Am 50. Tor - Von der Problematik weytreychender Prophezeyungen”. Die im Werk behandelte Originalquelle ist eine Abschrift in einer älteren tulamidschen Mundart, die in das Garethische transkribiert worden ist. Das Werk “Am 50. Tor” ist vor allem eine fast schon sagenhafte, wüste, viel zu häufig von verschiedener Hand redigierte Kompilation unterschiedlicher, teils halbwahrer Dokumente historischer und Prophezeiungen vergangener und zukünftiger Ereignisse. Wolfhart hätte das Exzerpt beinahe wegen des zweifelhaften Rufs missachtet, investiert dann aber die Zeit, die Übersetzung mit einer eigenen zu validieren und erhält folgenden ominösen Orakelspruch:

Dies ist die Kunde von den Zeiten, wenn sich das Angesicht der Welt wandeln wird.

I.1 Wenn die Echse einen Kristall verliert, wird sich die Kunde verbreiten von SEINER künftigen Macht, und SEIN Freund stirbt oder wird leben.

I.2 Wenn der Sohn des Raubvogels von der Tochter der Schlange gefressen wird, erhebt sich wieder ein strahlendes Tuch, und der Besitzer des Tuches wird sein der dritte des Namens.

I.3 Wenn der Kalif aus Borons Land in das Goldene Land geschickt wird, werden viele blutende Götter ins Herz des goldenen Vogels stoßen, und ein Sohn des Fuchses wird den Namen seines Onkels und seiner Tante tragen.

I.4 Wenn der Tod im Toten beschworen wird, werden sich auftun die Himmel, und es wird sein ein Klagen und Jammern unter den Menschen und anderen und denen im Licht.

I.5 Dann wird kommen der Erste der Sieben Boten und seine Nachricht wird sein der almadische (almadine?) Stein und das Wissen SEINES Namens.

opa says:

Nachtrag: Emmeran sucht auf seinen doch recht langen Überlandreisen das Erlebte zu verarbeiten, indem er sich mehr denn je darauf stürzt, das Leben in vollen Zügen zu genießen: ausschweifende Nächte mit Wein, Weib und Gesang, schließlich gilt es gefühlte 5 Jahre aufzuholen.

Gleichzeitig stellt er dabei aber fest, dass ihm dieses Leben nicht mehr ausreicht: Spätestens nach zwei oder drei Tagen wird deutlich, dass er in den dörflichen Gemeinschaften keinen rechten Platz hat, das Geschichten Erzählen füllt ihn seit der Nacht am Lagerfeuer der fliehenden Dragenfelder nicht mehr so aus.

Grund genug, Luzelin aufzusuchen und sich auch nach der Gemeinschaft der Gruppe um Wolfhart und Cordovan zurückzusehnen.