Das Ende einer Legende

Moosgrund, 15ter Boron 1016 BF

Am Abend des 15ten Boron sitzen wir bei einem Krug Wein in der Stube des Barons von Moosgrund, während dieser von den erwähnenswerten Ereignissen der letzten Wochen berichtet. Er erzählt, dass die Leiche der Weibelin Helmtrude gefunden wurde. Völlig ausgemergelt und blutarm habe man den geschundenen Leichnam am Rande des Nachtschattenwaldes aufgefunden. Weitere Spuren hätten in eben jenen Wald geführt, doch der Baron hatte aufgrund mangelnder Männer und der immerwährenden Orkbedrohung entschieden, dass er diesen Spuren vorerst nicht nachgehen werde. Der Nachtschattenwald, so sei angemerkt, trägt seinen Namen aufgrund des in ihm stehenden Nachtschattenturms. Dieser Turm, um den sich viele Mysterien ranken, wurde von einem Magier der Familiendynastie Nachtschatten, zur Zeit Rohals erbaut. Auch wenn jeder in Moosgrund weiß, dass der Turm existiert, so vermag der Baron uns niemanden zu nennen, der ihn je gesehen hat, oder der uns dort hinführen könnte.

Im Beisein des Barons fangen wir nochmals an, die Dinge rund um Pardona und die Acheburg ins rechte Licht zu rücken. Wir vermuten, dass Pardona die Orks dazu benutzt hat, den Praiostempel in Anderath zu überfallen und die Devotionalien zur Acheburg zu bringen. Dort hat sie mit Hilfe ihrer Kreatur die Orks getötet und anschließend mittels der Praiosheiligtümer, Walmir zu Riebeshoff unter ihre Kontrolle gebracht. Welche Rolle der ehemalige Obrist der Sonnenlegion in dieser Schauspiel spielt ist uns allerdings noch unklar. Wir schneiden auch nochmal den seltsamen Zusammenhang mit den Neumondtagen an, vermögen aber auch daraus nicht recht schlau zu werden. Liasanya merkt an, dass zum nächsten Neumond eine seltene Sternenkonstellation am Nordhimmel stehen wird. Das es sich dabei um einen Zufall handelt glaubt keiner von uns und so suchen wir denn einzig Erreichbaren auf, der ausreichend in der Kunde der Sterne bewandert ist - Dschelef ibn Jassafer.

Das ehemalige Krankenzimmer des Erzmagiers gleicht mittlerweile einer Studierstube und der einst bettlägerige alte Mann scheint sich gänzlich erholt zu haben. Auf die Sternenkonstellation angesprochen erklärt er uns, nach einigen Sticheleien, was es damit auf sich hat. Mada, das Zeichen für Magie im Süden, Sumus Schale, das Zeichen für Kraft, und die drei hellen Planeten Simia, Nandus und Ucuri welche stets warnend am Firmament stehen, können in der Kombination nur bedeuten, dass vor einem Neubeginn gewarnt wird. Marbo im Trigon zeugt von der Abwesenheit des natürlichen Todes oder aber, dass die Lebenskraft dem falschen Zwecke zufließt. Horas steht in Negation zu dem Gehörnten was als Indiz für eine Wiederholung anzusehen ist und schließlich noch Aves in Negation zur Schlange, was bedeutet, dass die Ströme der Magie über Weiden gestört sind. Schon seinerzeit in Punin war mir die schwammige Lehre der Sterne zuwider und auch jetzt wirft sie mehr Fragen auf, als sie klärt. Nicht wirklich schlauer verlassen wir Dschelef und während wir über die abendlichen Straßen zurück zur Burg gehen, landet überraschend, eine kindsgroße, prachtvolle Eule vor uns. Noch erstaunter sind wir als die Eule zu sprechen beginnt. Sie stellt sich als Oropheïa, die Königin der Eulen vom Blautann vor. Sie sei gekommen uns in Luzelins Namen zu rufen. Die Anführerin der Hexen vom Blautann wünscht uns zu sehen, vermutlich zum letzten Mal. Nach diesen Worten dreht sie sich um und hüpft die Straße hinab. Auch wenn uns Rashid zur Vorsicht mahnt, obsiegt dir Neugier und wir folgen, nachdem wir schnell die Kaleschka mit unseren Sachen geholt und den Baron informiert haben, Oropheïa in Richtung Blautann.

Blautann, 16ter Boron 1016 BF

Gegen Nachmittag des 16ten erreichen wir den Rand des Blautann. Da wir dort mit der Kaleschka nicht weiter kommen, weisen wir Boril an, im nächsten Dorf auf uns zu warten. Zu Fuß folgen wir weiter der großen Eule in den urtümlichen Blautann.

Blautann, 17ter Boron 1016 BF

In den frühen Morgenstunden, nach schier endlosen Stunden des Wanderns erreichen wir eine kleine Höhle. Am Rand der Höhle ist ein kleines Beet zu erkennen und ein kleiner Bach strömt aus dem Eingang. Ohne zu zögern fliegt Oropheïa hinein. Als wir versuchen der Eule zu folgen weht uns, ohne das bisher auch nur ein Windhauch ging, Schnee ins Gesicht und die Temperatur scheint noch weiter zu fallen. Urplötzlich scheint der, auf dem Boden liegende, Schnee nach uns zu greifen und uns festhalten zu wollen. Emmeran, der sich nicht davon beeindrucken lässt und fest entschlossen ist, Luzelin aufzusuchen, stapft weiter auf den Höhleneingang zu. Als er diesen fast erreicht hat, erhebt sich plötzlich eine der Schneeverwehungen zu einer konturlosen Gestalt und schlägt nach Emmeran was diesen stürzen lässt. Das Wesen setzt ihm nicht nach, doch Emmeran ist daraufhin so wütend, dass er der Kreatur entgegen brüllt, dass diese uns niemals aufhalten werde Luzelins Höhle zu betreten. Emmerans Worte scheinen eine gewisse Macht inne gehabt zu haben, denn das Wesen dreht daraufhin um und verschwindet. Laut Liasanya sind wir vielleicht einem Schneegeist oder einem Elementar begegnet.

Nun ungehindert betreten wir den ersten Raum der Höhle. Hier befindet sich wohl das Lager von Luzelin. Kisten und Fässer reihen sich an den Wänden auf. Ohne uns lange aufzuhalten gehen wir durch diesen Raum und betreten eine Art Küche. Über dem brennenden Ofen hängt ein kleiner Topf und es gibt einige Sitzgelegenheiten. Nahezu zeitgleich mit uns betritt aus dem hinteren Teil der Höhle Luzelin die Küche. Luzelin ist eine attraktive, etwa fünfzigjährige Frau. Groß und schlank, mit weißen gelockten Strähnen die ihr ansonsten schwarzes Haar durchziehen. Von Müdigkeit und Erschöpfung gezeichnet lässt sie sich auf eine der Sitzgelegenheiten fallen und nimmt ihren großen grauen Kater, welcher mit ihr in die Küche gekommen ist, auf den Schoß.

Ohne uns richtig zu begrüßen, beginnt sie zu erzählen. Vor 30 Jahren habe sie, auf der Rückreise von einer Winterhexennacht, eine Vision gehabt. Eine gierige, zerstörerische Macht, die von fernab nach dem Land greift. Diese Vision war so erschütternd, dass sie ihr weiteres Leben maßgeblich bestimmt habe. Seither versucht sie die Hexen zu einen und zu stärken. Alles was sie tat, zielte auf diesen, heutigen Tag, hin. Nun da dieser Tag gekommen sei, würden ihre Vorbereitungen endlich Früchte tragen. Acht Winter und Sommernächte habe es die gemeinschaftliche Anstrengung der Hexen gekostet um zu erschaffen, was sie uns nun zeigen will.

Daraufhin erhebt sie sich und geht zu ihrem Kochtopf. Ohne ein weiteres Wort fängt sie an eine übel riechende Substanz zu kochen. Bei der Brauerei möchte Emmeran natürlich helfen, doch so recht gelingt ihm das nicht. Das was Luzelin braut, so erkennt er ziemlich schnell, ist mächtiger als alles was er bisher gesehen hat und scheint die alte Hexe unglaublich viel Kraft zu kosten.

Luzelin bittet Emmeran, ihr ein kleines Kästchen zu reichen. In diesem befindet sich ein große schwarze Nadel die, wie Luzelin erklärt, aus Alicorn gefertigt ist. Mit der Nadel und dem Topf in der Hand dreht sie sich zu uns um und erklärt uns, dass es mit der Nadel und der Tinktur möglich ist, ein unauslöschliches Zeichen der Macht zu zeichnen. Die Nadel würde ihr zeigen wer der Auserwählte ist, der das Zeichen tragen wird. Um das zu prüfen bittet sie uns um unsere Hände. Emmeran, ganz ergeben, ist der erste der ihr die Hand reicht und Luzelin sticht mit der Nadel in seinen Daumen. Aus der Stelle tritt augenblicklich etwas Blut aus und die Enttäuschung ist der alten Hexe anzusehen. Emmeran ist nicht der Auserwählte. Wir anderen zögern uns auch der Prüfung unterziehen zu lassen. Ich frage Emmeran, wie sehr er Luzelin vertraut und als er mir antwortet, dass sein Vertrauen gegenüber der Oberhexe durch nichts zu erschüttern sei, lasse ich mich auf gleiche Weise prüfen auch wenn ich gestehen muss, dass ich nicht weiß, welche Mächte hier am Werk sind. Wie zu erwarten, bin auch ich nicht der Auserwählte.

Als nächstes ist Rashid an der Reihe, doch dieser weigert sich beharrlich, so dass schließlich Liasanya vortritt um sich testen zu lassen.

Zu unserem Erstaunen tritt aus Liasanyas Daumen kein Blut aus und Luzelins Augen fangen an zu leuchten. Man sieht förmlich wie ihr ein Stein vom Herzen fällt, dass die ganzen Mühen der letzten Jahrzehnte nicht umsonst gewesen sind. Sie fragt Liasanya, ob diese bereit ist das Zeichen der Macht zu empfangen und als Liasanya zustimmt, fängt Luzelin an mittels der Nadel und der Tinktur eine Tätowierung in die Haut über Liasanyas Herz zu stechen. Das kurze Zeit später fertig gestellte Bild zeigt eine große fauchende Katze.

Mit dem letzten Stich der Nadel bricht Luzelin fast zusammen. Sie krümmt sich vor Schmerzen und mit schwacher Stimme sagt sie, dass der Lebenshauch der in allen Kreaturen Sumus ist, sie verlassen habe. Er sei ihr geraubt worden. Plötzlich werden ihre Augen hart und sie richtet sich auf. Emmeran der Luzelin gestützt hat, damit diese während ihrer Schmerzenskrämpfe nicht stürzt, ist überrascht aber dennoch geistesgegenwärtig. Als sich die harten Augen auf ihn richten und Luzelin ihren Mund zu einem fauchen öffnet, erkennt er die unmissverständlichen langen Eckzähne. Luzelin Silberharr, das Oberhaupt des Blautannzirkels ist ein Vampir!

Der erste Angriff auf Emmeran schlägt fehl und dem mächtigen Geist Luzelins gelingt es noch ein letztes Mal die Oberhand über die Verderbtheit zu gewinnen. Sie fleht uns an, sie schnell zu vernichten, da sie nicht weiß wie lange sie die Verwandlung noch aufhalten kann. Das sind die letzten Worte die wir von Luzelin vernehmen.

Erfahren aus den letzten Kämpfen mit Vampiren können wir auch diesen für uns entscheiden. Wein und Kräuter verletzen sie schwer und gemeinsam gelingt es uns, sie zu vernichten. Luzelins Ende bedeutet auch den Tod ihres Vertrauten. Der graue große Kater legt sich neben den gefallenen Körper der Hexe und schließt für immer die Augen.

Auch wenn mir klar ist, dass die Hexen in ihrem Glauben nicht den Zwölfen folgen, weiß ich doch dass auch diese Seele zu meinem Herrn reisen wird. Ich spreche ein Gebet um die Reise einzuläuten und Golgari den rechten Weg zu weisen.

Rashid und Emmeran, die sich währenddessen ein wenig in der Höhle umgesehen haben, entdecken das Testament von Luzelin indem sie uns erlaubt, alles was wir benötigen aus ihrer Höhle mitzunehmen. Weiterhin wünscht sie, wie es Brauch ist bei den Hexen, im Feuer bestattet zu werden. Diesem kommen wir natürlich nach.

Wie üblich entbrennt wieder einmal eine Diskussion über die Gegenstände. Emmeran verlangt von mir die Herausgabe der Alicorn Nadel. Ich lasse mich nicht darauf ein und teile ihm mit, dass ich die Nadel untersuchen lassen will. Schließlich hat mich gerade ein Vampir mit einem mächtigen magischen Artefakt verletzt, da ist es wohl nur logisch, dass ich wissen muss, welche Mächte dort am Werk waren. Luzelin kann ich nun ja wohl nicht mehr fragen. Ich frage mich welche Beweggründe meine Begleiter immer wieder dazu treibt, solche Dinge an sich zu reißen und warum ich mich immer und immer wieder erklären muss?

Als Liasanya mich fragt, ob sie die Nadel haben kann, wenn ich sie untersucht habe, stimme ich zu, sofern von dieser keine Gefahr ausgeht.

Noch während ich mich mit Liasanya in der Höhle unterhalte, hören wir von draußen Lärm. Emmeran und Rashid die bereits vor der Höhle stehen, sehen wie drei Hexen auf der Lichtung landen. Eine der drei ist eine alte schrumplige Frau mit Warzen im Gesicht, die von den anderen Achaz gerufen wird. Sie befiehlt uns alles in der Höhle zu lassen und zu verschwinden, da sie nun das neue Oberhaupt der Hexen sei. Da wir uns, aufgrund des Testaments, im Recht sehen, denken wir natürlich gar nicht daran diesem Befehl folge zu leisten.

Noch bevor die Auseinandersetzung eskaliert, landen drei weitere Hexen auf der Lichtung. Eine von Ihnen ist Gwynna. Der Auftritt der Neuankömmlinge vertreibt Achaz und die anderen beiden. Doch noch bevor die alte Vettel sich auf ihrem Besen davon macht, flucht sie, dass Asfaloth uns holen möge. Welchen Bund diese Hexe mit der Herzogin des wimmelnden Chaos eingegangen ist vermag ich nur vermuten.

Im anschließenden Gespräch mit Gwynna erklärt diese, dass sie eine Versammlung einberufen wird, in der sie vermutlich zur neuen Anführerin der Hexen gewählt wird. Unabhängig davon ob das geschieht oder nicht, sind wir zukünftig immer im Blautann willkommen.

Aus dem Reisetagebuch des
Boron-Geweihten Ritter Cordovan Boronar von Reuenhold
vom Orden des heiligen Golgari