Der Ursprung der Vampirplage
Ich hab es doch immer gewusst! Wir müssen Studien betreiben und Bibliotheken besuchen, haben sie gesagt. Emmerans Bauernweisheiten bringen uns hier auch nicht weiter, haben sie gesagt. Die Weidener sind ein abergläubisches Völkchen und verstehen nur, was sie mit der Axt bekämpfen können, haben sie gesagt.
Dabei war die Lösung die ganze Zeit vor eurer Nase, ihr Schlauberger – ihr wolltet sie nur nicht erkennen, obschon ich sie euch vielleicht hundert Mal erzählt habe.
„Seit den Tagen als Wohlgeboren Walmir von Riebeshoff, Edler zu Greifenfurt und Sonnenobrist der Praiosgarde unter seltsamen Umständen dort zu Tode kam, geht ein Schrecken in der Acheburg um. — und jeder Reisende sei gewarnt, einen großen Bogen sollte er um die Burg machen! Manch unbedachter Wandergesell, der sich Schutz vor den Wölfen in dem Gemäuer versprach, ward nie wieder gesehen… Und dennoch suchte manches arme Bäuerlein Schutz in der alten Burg vor Regen und Kälte. Und wie das arme Bäuerlein so klagte, dass ihm kalt sei und es sich im Dunkeln fürchte, kam ein Rittersmann – schwuppdiwupp – herbei. Der war schon so lange hier im Dunkel, dass seine Rüstung schwarz war und seine Zähne klapperten. ‚Höre Bäuerlein, dir soll geholfen sein‘, sprach der Rittersmann. ‚Lass mich nur meinen Umhang um dich legen und alle Kälte und alle Angst vor dem Dunkel soll für immer verschwinden.‘
Frohgemut folgte das arme Bäuerlein dem Vorschlag und der Rittersmann kam ganz nah an ihn heran, warf seinen Umhang über ihn. Bald verschwand alle Kälte und auch das Dunkel erschien viel heller. Kurz vor Sonnenaufgang brach das arme Bäuerlein wieder auf, doch vorher warnte ihn der Rittersmann: ‚Gib Acht! Regen, Kälte und Dunkelheit werden dich künftig verschonen, doch das Licht der Sonne musst du meiden. Auch musst du künftig mit anderen deinen Umhang teilen, sonst bist du in Bälde wieder in der Nacht verloren.‘ Und das arme Bäuerlein merkte es sich gut und tat, wie ihm geheißen.“
Und doch brauchte es eine Elfe, die eine noch unglaublichere Geschichte erzählte, damit ihr der Intuition des Geschichtenerzählers Tannhaus glauben wolltet. Aber der Reihe nach.
Mit unserer Abreise aus Menzheim verabschieden wir uns auch von Sapallyo, der die Besitztümer des verstorbenen Draconiters wieder an sich nimmt und uns alles Gute für die Zukunft wünscht. Wir verlassen Menzheim am 13. Boron in Richtung Norden und kehren abends in der Nähe von Altnorden in einem Gasthaus ein. Einzig Wolfhart wird dort in seiner Nachtruhe gestört, berichtet er doch von einem Traum, in dem er sich in fremder Gestalt an einem zugefrorenen See wiederfindet. Als er den Schnee beiseite wischt, spiegelt sich im blanken Eis des Sees ein blutiges, entstelltes Gesicht, von dem sich Haut- und Fleischklumpen lösen, die das Eis rot färben. Gerade als er glaubt, das Gesicht zu erkennen, wacht er erschrocken auf und kämpft mit Schmerzen in seinem Rubinauge. Sein Bericht ruft unangenehme Erinnerungen wach, da er doch einen ähnlichen Traum vor einiger Zeit bereits hatte. Wolfhart beruhigt uns jedoch und wir setzen unsere Reise fort.
Gegen Mittag des 15. Boron erreichen wir wie geplant Moosgrund, wo wir den Baron aufsuchen und auch den noch immer pflegebedürftigen Magier aus dem Süden sprechen wollen. Beim Essen berichten wir dem immer noch etwas skeptischen Baron von unserer weiteren Vampirjagd. Avon Nordfalk von Moosgrund informiert uns im Gegenzug, dass nur einen Tag vorher Liasanya ebenfalls eingetroffen ist, die wir natürlich sofort aufsuchen.
Die Elfe ist von ihren Erlebnissen sichtlich erschüttert. Sie erzählt uns von dem mühsamen Weg durch die schroffen Berge des Finsterkamms bis zur Acheburg, die wie das Skelett eines Kadavers in den Himmel ragt. Dort angekommen fand sie nur Krähen als einzige Lebewesen, und ein riesiges Eisentor, das den Weg zu einem Turm im Inneren der Burg versperrte. Sie spricht von zerstörten Tempeln und einem geschändeten Friedhof, auf dem Gräber aufgebrochen waren und untote Wesen umgingen. Insbesondere eine Gruft war ihr aufgefallen, deren Tür wie von Riesenhand aufgebrochen war, und wo die zwölfgöttlichen Zeichen zerstört worden waren. (Sie beschreibt ein Wappen, das der Baron von Moosgrund später als das des Walmir von Riebeshoff erkennt. Er erzählt uns die Geschichte der Acheburg – langweilig und voller unnützer Fakten, aber ihm hören sie zu und nicken klug. Eine der Rondra geweihte Grenzfeste, die die Sonnenlegion auf Befehl des Priesterkaisers geschleift hat … blablabla …. das unerklärliche Dahinscheiden des damaligen Befehlshabers von Riebeshoff … und die Geschichten über den Schrecken, der dort umgehen soll und den angeblichen Fluch dieses Ortes.) Liasanya spricht weiter davon, dass sie im Schnee vor der Gruft ein Dutzend Orkleichen fand und dass sogar deren Geister ihr dort erschienen sind. Diese gaben zu, dass sie am Überfall auf Anderath beteiligt waren, diesen aber nicht aus freien Stücken durchgeführt hätten. Statt dessen seien sie von einer Schamanin der weißen Elfen dazu gezwungen worden. Später habe diese ein Wesen aus Dunkelheit befreit und die Orks getötet.
Liasanya erklärt uns, dass es sich bei dieser Schamanin nur um Pardona handeln könne, eine dem Namenlosen verfallene Magierin, die ihr Volk in den Ruin geführt hat und die Schuld trägt an der Vernichtung der Stadt im Eis und den Tod vieler Elfen. Sie hat laut Liasanya Dinge erschaffen, die nicht in diese Welt gehören, und - vielleicht – den Vampir der Acheburg für ihre finsteren Pläne eingespannt und es ihm ermöglicht, von dort Unheil über Weiden zu bringen.
Liasanya ist von den Ereignissen geschockt, denn Pardona war für viele hundert Jahre verschollen, und nun glaubt sie, die Erzfeindin ihres Volkes ausgemacht zu haben. Bis spät in die Nacht reden wir mit ihr über die Bedeutung ihrer Entdeckungen und über unsere Möglichkeiten und nächsten Schritte.