Auftrag erledigt
Milwaukee, der 06.09. (III) und 07.09.2008
Aufzeichnungen Carl Mirrowls
Unglaublich: es ist gerade einmal 13 Stunden her, dass wir hier in Martha’s schönem Diner gesessen haben und frühstückten. Ich habe das Gefühl, es sind seit dem drei Tage vergangen. Alex ist leider wieder für seine andere Firma unterwegs, so dass ich mit Sam und John zusammen sitze und wir die Kohlen zu dritt aus dem Feuer holen müssen. Immerhin hat Alex kurz angerufen und uns davon in Kenntnis gesetzt, dass das Kennzeichen des Wagens, den Sam gesehen hat, uns zu einem Namen führt, den wir in den letzten Tagen schon häufig gehört haben: Jonathan Simmonds.
Irgendwie ist der Typ immer schon da gewesen, wo wir auftauchen. Erinnert mich an Angel Heart. Bin ich etwa Simmonds? Oder wir alle zusammen? Lassen wir das…
Während wir noch auf unser drittes Rührei an diesem Tag warten, ruft Neill mich an. Es gibt, wie sich heraus stellen wird entscheidende, Neuigkeiten. Nur einen Tag, bevor wir bei den Olsons aufgetauchten, sind, wie Zeugen berichten können, andere Autos auf dem Gelände gewesen. Die Spuren dieser Autos führen zu einer Lagerhalle am Pier 4, wo die Wagen wieder aufgetaucht sind – und zwar nachdem sie bei den Olsons waren. Das erscheint uns sofort sehr verdächtig. Da die Cops da bald selber auftauchen wollen, müssen wir schnell handeln. Martha ist auch dafür, jetzt schnell loszufahren, also dann machen wir das doch auf jeden Fall. Darüber hinaus weiß Neill noch zu berichten, dass sein Chief alle Fragen zu dem Anwalt der Olsons, also wer ihn angefragt hat oder wie sein Name ist, abblockt.
Aber bevor es losgeht trinken wir noch ein Bierchen und essen die Rühreier, die uns Martha endlich bringt. Auch brauche ich dringend neue Kippen. Noch bevor wir endlich in Johns Karre steigen und Sam auf dem Weg zu Pier 4 einen Dienst an der Menschheit vollbringt, indem er Johns Radio tötet und uns von Country Roads befreit, was leider John nicht davon abhält, seinen albernen Hut aufzubehalten, bekomme ich von Neill eine SMS: Etwas stimmt hier nicht. Durchsuchungsbefehl nicht unterschrieben. Ermittlungen eingestellt.
Nach kurzer Fahrt sind wir an Pier 4. Es ist ein dunkle Gegend, kleinere Hallen, privater Hafen, nix los jetzt. Trotzdem tarnen bzw. verkleiden sich Sam (blauer Schlumpf) bzw. John (Stetson o.Ä.), erst dann nehmen wir uns die Halle vor. Erste (über-)sinnliche Eindrücke deuten auf mindestens einen Football schauenden Wachmann im hinteren Teil der Halle hin. Er sitzt in einem Raum, von dem aus wahrscheinlich noch weitere Räume abgehen, was wir aber nicht erkennen können. Dieser ist durch eine Wand von der Haupthalle getrennt. In der Haupthalle ist ein schickes Motorboot zu sehen, dass in einem zum Hafen hin offenen, aber durch ein Tor davon getrennten Becken liegt. Ansonsten scheint die Halle leer.
Ich knacke die Tür. Das oder unser „Schleichen“ war wohl zu laut, jedenfalls kommt der Wachmann aus dem hinteren Raum und sucht nach uns, begleitet von den typischen „Ich ruf die Polizei“, „Wer da?“, „Ihr habt hier nichts zu suchen“ und was man sich in solchen Situationen sonst noch so anhören muss. Aber nicht nur der Wachmann nervt, er ist auch noch nicht mal allein. Eine raue Stimme aus dem von uns nicht einsehbaren Teil der Halle, in dem auch der Fernseher läuft, fordert den Wachmann auf, eine Suche durchzuführen. Sam und ich verstecken uns auf den beiden Seiten des Bootes, während John die schlaue Idee hat, laut aus der Halle zu verschwinden und so die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Vielleicht auch aus einer Mischung von Müdigkeit, Alkohol und Übermut ob der bisherigen Erfolge bei meinen direkten Aktionen falle ich den Wachmann in dem Moment an, als er an mir vorbeigeht. Das scheitert und ich kann mich bei Sam, der dabei sogar noch angeschossen wird, bedanken, dass das für mich glimpflich ausgegangen ist, weil er den Kerl mit einem dicken schweren Werkzeug traktiert. Ich muss Sam dafür mal ’ne neue Goldkette aus einem Kaugummiautomaten ziehen.
Nachdem wir den Wachmann gefesselt und geknebelt haben (auch dieser Zustand hält Sam erschreckenderweise nicht davon ab, ihm noch mal mit dem Werkzeug einen zu geben. Merken: schieß’ einen Pimp nie nur an, sonst rächt es sich), geht Sam weiter zu der Tür, aus dem der Wachmann und die Stimme des anderen kamen, während ich die Halle scanne.
Der abgetrennte Bereich ist leer. Sam findet in einem weiteren Raum mehrere Etagenbetten, von denen zwei benutzt sind. Unter einem ist eine Art Metallbettkasten, den er aber nicht geknackt bekommt. Bevor ich das in die Hand nehme, spüre ich eine übernatürliche Präsenz in der Halle, die mir mal wieder einen Schauer über den Rücken fahren lässt. Gott sei dank kommt John in die Halle zurück und übernimmt hier die Stellung. Für ihn ist das allerdings weniger erfreulich, denn während ich da hinten eine Pistole und einen Handspiegel aus dem Bettkasten berge, hört er eine Stimme, die ihn dazu auffordert, seinem Meister auszurichten, er würde ein gefährliches Spiel spielen und dass er hier nix zu suchen hätte. Auf Nachfragen bekommt er keine Antworten. Vielmehr geht nach kurzer Zeit die Tür nach draußen, ohne dass da wer zu sehen gewesen wäre.
Während dessen macht Sam die letzte Tür, die wir entdecken, auf und findet dahinter einen Lagerraum, in dem eine kühlschrankgroße Kiste steht. Kommt mir irgendwie bekannt vor, muss mal mein Tagebuch kontaktieren. Die Kiste holen wir in die große Halle und Sam macht einen weiteren Versuch, Informationen von dem Wachmann zu bekommen. Der weiß außer dem Hinweis, dass wir verschwinden sollten, so lange wir noch können, nichts Informatives beizutragen, was ihm weitere „Streicheleinheiten“ von Sam einbringt. Der kommt abends echt richtig fahrt, wir ich merke. Schon bei den Spaniern war das ja so. Das sollte ich mir auch für die Zukunft merken.
Einen Hinweis kann der Wachmann uns dann aber doch noch geben. Sein Blick, als John ankündigt, dass er den Wagen holt, verrät uns, dass das keine gute Idee ist. Nachdem Sam und ich John davon überzeugen, dass Autos fahren und Boote steuern eigentlich das gleiche sind, nehmen wir das Boot, inkl. Kiste und Wachmann versteht sich. Endlich auf See öffnen wir die Kiste. Naja, schön ist anders, muss ich sagen, als ich sehe, was da drin liegt. Da ist wohl einer schon länger nicht mehr auf der Sonnenseite des Lebens. Und außerdem hat ihm noch einer einen Pflock an die Stelle zwischen die Rippen gerammt, wo andere Leute ihr Herz sitzen haben.
Das scheint mir jetzt doch ein Fall für Helenas Notfallnummer, dem armen John wird sogar so schlecht, dass er schnell auf dem Klo verschwindet und seine Mama (oder seinen Chef) anruft. Helena schickt uns auch gleich einen Trupp per Hubschrauber, der sich der Sache annimmt. Einen der Typen habe ich auch schon mal beim Trust gesehen, glaube ich. Aber sicher bin ich mir nicht, seine Tarnung tut da wohl das, was sie soll. Gegen 01.00 Uhr sind wir dann endlich an Land und während ich mich mal ins Bett haue (nicht ohne vorher noch eine dringend nötige Nikotinkur über mich ergehen lasse), sind Sam (bei einem „Arzt“) und John (in seiner Kanzlei) noch unterwegs.
Am nächsten Morgen treffen wir uns bei Helena. Die beglückwünscht uns erst einmal zu unserem Erfolg, wir haben einen Vampir sichergestellt. Die Leute vom Trust wissen zwar noch nicht so recht, was sie mit ihm Anfangen sollen, da fehlt wohl die Erfahrung, wie Helena sagt. Und außerdem hat man wohl auch Angst, sich mächtige Feinde zu machen, aber das soll uns ja erst einmal nicht kümmern. Erst einmal anstoßen, denke ich mir.
Ach ja: die McKenneth-Jungs sind immer noch in der Stadt, die dürften wir uns mal ansehen. Helena denkt aber, wir sollten nicht unbedingt Simmonds ansprechen, da vermutet sie, der pimpt zurück. Aber McKenneth oder seine Begleiterin, eine gewisse Swetlana Miranowa, für die Simmonds auch Geschäfte macht, können wir, wenn wir wollen, gerne mal zu einem Gespräch einladen.
Ein Vogel – vielleicht gar die allwissende Martha – zwitschert uns noch wichtige Infos zu Fort Henry, so dass wir da nicht mehr hin müssen. Das stammt aus einer Zeit, als Yankees nicht nur Erfolgsfans waren, sondern noch mit Stolz Sams Vorfahren befreit haben, und wurde teilweise in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts als Versuchslabor für Experimente an Übernatürlichen reaktiviert. Daher gibt bzw. gab es da auch so viele Laborutensilien, die wir ja auch in den Kisten gesehen haben und das Interesse der Chicagoer auf sich gezogen haben. Das Zeug, dass uns über den Weg gelaufen ist, waren wohl Bestandteile eines Uhrwerks. Das spannendste war aber sicherlich, dass die in einem ihrer Schränke den Vampir, den wir da gestern mitgenommen haben, vergessen hatten, als sie Fort Henry dann wieder dicht gemacht und die Forschung an einen anderen Ort verlagert haben. Auch Artefakte hat es da wohl gegeben, die übernatürlich sind oder besondere Sachen können – wobei mir der gestrige Blick in den Spiegel nicht wirklich gezeigt hat, dass das was positives sein muss…