Irrungen und (Ver-)Wirrungen
Nachdem von Marburg das Hotel verlassen hat, könnten wir eigentlich erleichtert aufatmen, aber keiner will für so eine dramatische menschliche Geste die vorhandenen Blutreserven antasten – schließlich ist noch viel zu tun.
Dass Ulrich von Marburg unaufgefordert unsere Namen genannt hat und ihm von unserem Interesse an diesem Hotel erzählt hat, stimmt mich etwas misstrauisch, vor allem nachdem er uns schon mit falschen Versprechungen zu seinem Herrn gelockt hat. Auch Alberto rechnet mit einer baldigen Vorladung beim Prinzen, weil wir uns alles andere als unauffällig verhalten. Dazu Ulrich wieder: „Spätestens in einer Stunde weiß von Marburg sowieso alles, was ich ihm hätte erzählen können.“ – Aha.
Ach ja: Der Barkeeper hat keine Erinnerung an eine Nachricht an Kima – große Überraschung!
In der nächsten Nacht nehmen wir uns vor, die Informationen des Antiquitätenhändlers Tariq Rahimad zu prüfen. Henry hat wie immer an alles gedacht und uns schon angemeldet. Da Alberto und Ulrich von ihrem Kampf noch geschwächt sind und jagen müssen, nutzen Henry und ich die Zeit bis 23.00 Uhr für einen Besuch im Krankenhaus, wo wir auch trotz der späten Stunde zu Professor Batticelli vorgelassen werden, da er inzwischen nicht mehr auf der Intensivstation liegt.
Es scheint, wenn ich mich nur genug konzentriere und in den Schatten bleibe, nehmen die Menschen mich kaum noch wahr, sehen geradewegs durch ich hindurch - nützlich! Kurz und gut, Batticelli ist auf dem Wege der Besserung und verspricht, von dem Überfall auf ihn zu erzählen sobald er sich unserer Identität sicher sein kann; wir hinterlassen unsere Telefonnummern.
Nach einer kurzen gemeinsamen Jagd (Henry wirft mir später vor, ich habe ihm durch mein Anschleichen etwas den Spaß verdorben, das sei doch keine Jagd mehr, wenn die Menschen einen nicht kommen sehen …. Ich persönlich finde Geschicklichkeit und Erfolg wichtiger als Nervenkitzel, aber vielleicht treibt ihn da auch nur irgendein aristokratischer Zug aus seinem früheren Leben.) treffen wir uns zu viert vor dem alten, mehrstöckigem Haus in der City, in dem Herr Rahimad uns erwartet, das jedoch zunächst nur Henry und ich betreten. Herr Rahimad, seinem Äußeren nach ein energischer, kräftiger Mitvierziger, ist jedoch gleich einverstanden, auch die anderen dazu zu bitten.
Trotz seiner freundlichen Art wird Alberto jedoch zunächst von seiner Präsenz so stark eingeschüchtert, dass er das Haus verlassen muss und mit Ulrichs Hilfe erst später zurückkehren kann. Seine Entschuldigung wird mit großer Nachsicht angenommen und Herr Rahimad lässt uns die Peinlichkeit der Situation nicht spüren.
Im Gespräch kommt heraus, dass Herr Rahimad den Fall, mit dem wir uns beschäftigen, sehr genau kennt, auch wenn er durch gespieltes Unwissen versucht, uns gleichfalls Informationen über unser Interesse und unsere Motivation zu entlocken, was den ein oder anderen zu fantasievollen Sprechblasen animiert.
Er kennt das ursprüngliche Opfer der Vampirjäger, Ruth Maria Schöngau, von einer länger zurückliegenden Korrespondenz, in der sie seine Hilfe bei der Erforschung der Beteiligung von Vampiren beim Türkensturm auf Wien in Anspruch nahm. In diesem Zusammenhang erwähnt Herr Rahimad auch einen Vampir in Venedig, der ebenfalls in Verbindung mit Schöngau stand – vielleicht der Grund für die weiteren Aktivitäten der Vampirjäger.
Viel wichtiger erscheint mir jedoch seine Bemerkung, wir sollten doch vor allem über die möglichen Auftraggeber der Menschen und deren Ziele nachdenken. Einen konkreten Verdacht äußert er nicht, deutet jedoch an, dass - sofern diese Partei die Unterlagen aus Wien besitzt - sie vielleicht an ihm oder auch an Bruder Gregorius Lazaros von Nyssa interessiert sein könnte.
Für seine Person scheint er sich jedoch keine Sorgen zu machen, zumal er sicher ist, dass von Marburg schon herausfinden wird, wer hinter der Sache ist, wenn er erst einmal die Vampirjäger in seinen Fängen hat. Er bietet uns weitere Gespräche an, will aber im Gegenzug erfahren, was unser Interesse an dem Fall ist. Wie man das als Drohung auffassen kann, ist mir nicht klar, es scheint die anderen erwarten, dass er uns einfach so alles erzählt, was er weiß. Manchmal denke ich, dieses Leben im Dunkeln schlägt einem ganz schön aufs Gehirn.
Zurück im Elysium beratschlagen wir, wie wir weiter vorgehen sollen und was wir im Falle einer Konfrontation mit von Marburg erzählen können, als dieser auch schon nach uns bzw. nach Alberto und den anderen beiden Herren fragen lässt. Alberto schaltet schnell und verschafft uns einige Minuten, in denen wir hastig unsere Geschichte abstimmen…