Ein geheimer Blutkult?

Als am 28. April des Jahres 1998 die Sonne hinter dem Horizont verschwand, erwachten einmal mehr die Kinder der Nacht. Wie immer war es zuerst ihr maßloser Hunger nach dem Blut der Lebenden der sie aus der Sicherheit ihrer Zuflüchte trieb. Und doch gelang es immer wieder einigen diesen Hunger zu kontrollieren und sich wichtigeren Dingen zuzuwenden. Zumindest für einige Zeit, denn am Ende siegte der Hunger immer.

Unter jenen die in dieser Nacht die Willenskraft bewiesen den Hunger zurückzustellen war Alberto, der dies tat um seine reizende Assistentin aufzusuchen, gab es doch Geschäftliches zu besprechen. Der Name der ebenso schönen wie intelligenten Frau war Simone Bondoni. Alberto hatte neben einem Vertragsverhältnis vor allem auf seinen Charme vertraut, um die Frau an sich zu binden und nicht auf die mythische Macht seines Blutes, wie es ein geringerer Vampir vielleicht getan hätte. Eine Entscheidung die vielleicht aus Stolz gefallen war, aber viel größere Konsequenzen hatte, als Alberto wohl damals gedacht hatte. Denn in eben jener Nacht war Alberto nicht der einzige gewesen, der Simone aufgesucht hatte.

Seine Assistentin erzählte im noch ganz aufgerührt die merkwürdige Begebenheit: Zusammen mit dem Licht der erstrebenden Sonne war ein Mann zu ihr gekommen, der Alberto zu sehen verlangt hatte. Er hatte sich Garibaldi Viscensa genannt. Als ihm Simone sagte, Alberto sei nicht anwesend, hatte er auf eine ganz unerhörte Weise ihre Hand ergriffen und sie für mehrere Sekunden fest in der seinen gehalten. In der Geste lag mehr als nur Aufdringlichkeit, es lag etwas Forschendes, Suchendes in diesem Griff. Doch was auch immer er suchte, er fand es nicht und ebenso abrupt wie er in Simones Leben getreten war, verschwand er auch wieder aus diesem. So blieb er für Simone lediglich eine merkwürdige Begegnung, doch für Alberto wurde sie nach Simones Bericht ein Anzeichen nahender Gefahr.

Ohne Zeit zu verlieren stellte Alberto Nachforschungen an und stieß auf einen Portier, dessen Aufmerksamkeit zwar enorm hilfreich, aber fast schon wieder besorgniserregend war. Nicht nur erinnerte er sich an den Mann, sondern hatte sogar ein paar aufschlussreiche Fetzen eines Telefonats Garibaldis mitbekommen. „Sie ist keine von denen. Nein, nicht diese Nacht. Auf keinen Fall.“ Zudem war von dem Portier zu erfahren, das Garibaldi das Talent hatte, wie ein Mann auszusehen, der an den jeweiligen Ort gehört und zudem wohl etwa 35 Jahre zählen mochte.

Da mehr nicht herauszufinden war, beschloss Alberto nun doch dem Bluthunger nach zu geben und sich auf die Jagd nach dem Blut der Sterblichen zu machen. Erst danach führte ihn sein Weg wieder ins Elysium wo er mit Lady Kiara zu sprechen suchte. Auch Ulrich war nach kurzer Jagd (der er die endgültige Heilung seiner Wunden des Kampfes mit Blessen verdankte) ins Elysium gekommen, und auch er hatte zuvor Beunruhigendes erfahren: Die Russenmafia war zuletzt im Hotel Lorenzo aufgetaucht. Er fühlte, dass es notwendig war der Managerin des „Löwen von Genua“, wo er untergekommen war, einen Vortrag über die Gefahr der Russen zu halten und beschloss nun russisch zu lernen.

Enrico führte derweil ein langes aber sehr tiefgehendes Gespräch mit Jaccomo. Jaccomo drängte ihn, sich von den Verbindungen an sein sterbliches Leben zu lösen, da sie Schwäche und Angriffspunkte für Feinde bedeuteten. Alle offenen Rechnungen solle er besser bald aus der Welt schaffen; eine Warnung, die sich Enrico durch Kopf gehen ließ, während er ins Elysium fuhr. Dort schenkte derweil Lady Kiara Alberto ein wenig ihrer Zeit, um ihn zu beraten, wodurch der junge Vampir einige interessante Dinge erfuhr:

Neben Neuigkeiten über die Werwölfe, bekam er vor allem wichtige Informationen über den Mord an Sofia, dem Ghul des Hauses Doria. Shin hatte Nachforschungen angestellt und war zu dem Schluss gekommen, dass der Mörder entweder ein Meister der Tarnung war oder das Opfer ihn gekannt hatte. Anscheinend war der Mörder kein Vampir. Neben anderen Indizien, die Shin offenbar gefunden hatte, sprach für einen Nichtvampir, dass das Opfer nicht ausgetrunken worden war. Stattdessen war das Opfer buchstäblich war zu Tode geprügelt worden.

Außerdem erzählte Lady Kiara, dass sie und Jaccomo planten, den letzten Vampirjäger auf bürokratischem Wege aus dem Krankenhaus herauszuholen und ihn in ein Flugzeug verladen zu lassen. Während des Fluges würde dieser dann „abhanden“ kommen. Bei der Sache hätte sie allerdings keine Hilfe nötig. Ferner erwähnte sie gegenüber Alberto, dass Jaccomo wohl weiß, wer hinter den Vampirjäger stand, diese Information spielerisch aber als Vorsprung gegen Lady Kiara behalten will.

In der Zwischenzeit wartete draußen Paula auf Lady Kiara und Ulrich nutzte die Zeit, mit ihr ein kleines Gespräch anzufangen. Unvorsichtigerweise verabredete er sich für die Zukunft mit ihr zu einer Jagd, nicht bedenken dass er mit Gangrel sprach, die vermutlich unter Jagd weniger das Schleichen in Hotelzimmer verstand als fröhliche Hatzen durch die nächtliche Wildnis. Das Gespräch war aber auch darüber hinaus interessant und Ulrich bekam einige Ratschläge. Darunter war der Rat vorsichtiger zu entscheiden ob er sich zuerst mit Celestina oder der Pasolini Familie treffen sollte. Das Gespräch endete, als Alberto Lady Kiara verließ und diese somit Zeit für Paula hatte.

Nach dem Gespräch redete Paula mit Kiara hinter verschlossenen Türen. Die mittlerweile aus der Gruppe anwesenden Vampire beredeten sich derweil und tauschten Informationen aus. Unter anderem erzählte Alberto von dem Angriff auf die Doria Familie und die Worte über den „Wandel“. Auch von der Begegnung seiner Assistentin berichtete er.

Nach einiger Zeit gesellten sich eine zufriedene Lady Kiara und eine erleichterte Paula zu der Gruppe. Lady Kiara erzählte davon, dass einem Simon de Paul von der Carthian Movement ebenfalls eine Ghulin abhanden gekommen war, ebenfalls nach dem zu ihr wie den anderen Ghulen gesagt worden war, dass ein Wandel bevorstehe und sie ihre Ketten abwerfen solle. Simon de Paul hatte sich mit einem Blutkult umgeben, wurde aber gemeinhin als ein Mann ohne tiefere Ambitionen betrachtet. Die Ghulin, die Literatur und Geschichte studierte, hatte ein Zimmer auf dem Campus, dessen Adresse Lady Kiara der Gruppe zugänglich machte. Sie drückte ihren Wunsch aus, dass Nachforschungen unternommen würden.