Katz und Maus mit dem Chaos

Die Euphorie über unsere frisch wieder gewonnene Freiheit verfliegt als ich nach der Hatz durch den Wald endlich einmal einen Augenblick habe, meine Gedanken zu ordnen. Die hereinbrechende Nacht verspricht kalt, klamm und regnerisch zu werden. Unsere Ausrüstung ist auf das beschränkt, das wir am Leibe tragen – was wahrlich nicht viel mehr als unsere Kleidung ist. Für die Obrigkeiten im Umkreis galten wir als Verbrecher und jetzt würde man uns vermutlich auch noch mit dem Chaos in einen Topf werfen.

Das Gespräch mit den Halblingen verläuft zäh. Die misstrauischen Nörgler und Stänkerer gehören zu den „Verlassenen“, einer berüchtigten Fremdenlegion, die derzeit wohl in Ulmenhorst stationiert ist, und sie unterhalten die Feldküche. Ich versuche sie einzuschüchtern, scheitere dabei aber so kläglich, dass sie es nicht einmal bemerken. Nach heftigen Diskussionen, einigen Schauergeschichten unsererseits und übelster Feilscherei ist man sich einig: eine Mahlzeit für uns, zehn Kupfer und Geleitschutz nach Ulmenhorst für die Halben.

Auf dem Weg zu einer Höhle abseits der Straße für eben jene Mahlzeit nehme ich mir die Zeit den Beutel des Nordmanns durchzuschauen. Meine Hoffnung, den Handel tatsächlich einhalten zu können, erfüllt sich als ich den Inhalt des Beutels sehe: ein Knochenspiel, 17 Kupferstücke unterschiedlicher Herkunft, drei silberne Elfenblätter und ein roter Edelstein mit schwarzem Schlag.

Die Höhle liegt ein Stück in den Wald hinein mit einem kleinen Unterstand aus Holz an der Seite. Gerds Instinkte schlagen sofort Alarm, also untersucht er gekonnt die Spuren vor der Höhle und stellt fest, dass schwere Stiefel die Höhle vor kurzem verlassen haben, aber keine Spuren hinein führen. Ob unseren Verwunderns über sein geschulten Auge bemüht er sich dann im Inneren der Höhle möglichst unbeholfen mit einer Fackel durch die Spuren zu trampeln, so dass sich dort nichts Neues ergibt.

Während die Halblinge und meine Gefährten den Karren unterstellen und die Feuerstelle vorbereiten, durchsuche ich die Höhle weiter. Vielleicht zehn bis zwölf Schritt tief und mit Nachtsicht gut ausgeleuchtet ist es keine Überraschung, dass es mir gelingt, auch den verstecktesten Hinweis aufzudecken. Zwischen dem zertretenen Erdreich im Inneren, ist die abgeschlagene und aufgeweichte Hand eines Orks begraben. Erleichtert über diesen Durchbruch bei der Durchsuchung geselle ich mich zum gemeinsamen Essen zu den anderen.

Es tut gut, am knisternden Feuer eine warme Mahlzeit im Bauch zu haben. Ragnar, wohl etwas frustriert darüber, dass er die Teller wieder hergeben musste, wandert im hinteren Bereich der Höhle herum. Kurz darauf berichtet er aufgebracht von einer perfekt eingelassenen Geheimtür im Höhlenfels, die bestimmt nicht zwergischer Herkunft sei. Hinter der Geheimtür öffnet sich ein Tunnel, aus dem es scheußlich, ja krank und eitrig, riecht. Meinen Gefährten ist die Sache ganz und gar nicht geheuer, daher beschließen wir des Nachts weiter zu reisen. Die Halblinge schließen sich uns an.

Nach ein paar Minuten fällt Gerd auf, dass wir die falsche Richtung eingeschlagen haben, um nach Krähenhorst zu gelangen. Am Wirtshaus gabelt sich die Strasse nach Ulmenhorst und Krähenhorst. Scheinbar ist auch ein Meister-Assassine nicht unfehlbar, wenn es mal hektisch wird wie bei unserer Flucht vom Wirtshaus. Erstaunlich ist allerdings Gerds Wissen um die Gegend hier (perfekte Vorbereitung für seine Tarnung – ich sage es): Krähenhorst ist eine alte Befestigungsanlage mit einem Leuchtturm und einem kleinen Sigmar-Tempel, der an dem Ort eines legendären Sieg Sigmars über marodierende Orkhorden erbaut worden ist. Der Burgherr, Manfred von Krähenhorst, ist ein zurückgezogener, brütender Kauz, der unerbittlich Recht und Ordnung aufrecht hält.

Die Flüche der Halblinge hinter uns kehren wir vorsichtig um, bereit einen großen Bogen um das Gasthaus zu schlagen. Unsere Vorsicht wird belohnt, denn eine Gruppe von vier Reitern in dunklen Mänteln mit schwarzen, kräftigen Rössern prescht in halsbrecherischem Tempo durch die tiefschwarze Nacht. Theo vordergründig in Sorge um seine Mithalblinge plädiert darauf nachzuschauen, ob die Reiter die Feldküche überfallen. Unsere kalte Ablehnung bringt ihn schnell auf sein eigentliches Anliegen, nämlich den Wagen zu plündern und eventuell einen vorher erspähten Sack mit Pulver (Gewürzen? Salz? Schießpulver?) mitzunehmen. Wieder lehnen wir anderen ab.

An der Gabelung erblicken wir schon aus einiger Entfernung das heiß glühende und im stetigen Regen feurig lodernde Gasthaus. Die Nordbarbaren und Chaos-Anhänger scheinen fort zu sein, ebenso fehlt jede Spur von Weidenfeld oder Holm. Unser Versuch, mehr heraus zu finden, scheitert kläglich an der dunklen Nacht einerseits und der glühenden Hitze andererseits, also setzen wir unseren Weg nach Krähenhorst fort.

Zwei Ereignisse lassen mich daran zweifeln, dass ich vor Krähenhorst je eine Moment der Ruhe erhalten werde. Zum einen ist dort die Beobachtung durch die mutierende Chaos-Krähe, die Gerd (hat er etwa auch Nachtsicht?) glücklicherweise vor den schwarzen Wolken erspäht und die Theo der Artist, Beutelschneider und Scharfschütze mit einem einzelnen gezielten Schuss aus der Luft schießt. Zum anderen scheinen auch die dunklen Reiter kein Zufall zu sein, denn drei ihrer Art überholen uns während wir gerade noch in Deckung gehen konnten.

Erschöpft, durchnässt und verzweifelt richten wir ein behelfsmäßiges Lager unter ein paar Tannen ein. Zum Glück klart die Nacht etwas auf, der Regen geht erst in ein leichtes Nieseln über und versiegt dann vollends. Wir legen uns schlafen und halten dabei reihum Wache. Theos warnendes Rütteln weckt uns gerade rechtzeitig, um zwei große Hunde mit ihren Begleitern im Anmarsch zu bemerken. Ihre Beute schon witternd hetzen die Hunde geifernd voraus.

Keinen Moment zu spät rappeln wir uns auf, denn zwei kalbsgroße Chaos-Hunde mit Stachel bewehrten Halsbändern brechen durch das Unterholz. Theo schießt mit einer Routine und Präzision, die man nur in jahrelangen Kampfeinsätzen lernen kann, den ersten heranstürmenden Hund (der ihn immerhin um eine Handspanne überragt) zum Krüppel und verwandelt die wütende Bestie in einen Haufen winselnden Elends. Gerd zertrümmert derweil dem anderen Kampfhund die Pfote und positioniert ihn passend, so dass Ragnar ihn mit seiner Axt fällen kann.

Die Begleiter, ein Nordbarbar und der tobende Kobelheim, kommen hinzu und sehen gerade noch ihre Hunde verenden. Kobelheims geübter Blick als Wärter erkennt die größte Gefahr und er zückt eine Pistole. Der laute Knall des Mündungsfeuers verspricht nichts Gutes, und wahrlich einen Augenblick später geht Theo röchelnd seinen blutigen Armstumpf umklammernd zu Boden. Der Nordbarbar stürmt vorwärts.

Gemeinsam bedrängen Gerd und ich Kobelheim, der schnell einem gezielten Herzstich durch Gerd zum Opfer fällt. Ragnar liefert sich derweil ein spannendes Gerangel mit dem Barbaren, bei dem es auch darum geht, dass dieser die viel größere Axt hat und Ragnar sie gerne hätte. Der Barbar erkennt die Aussichtslosigkeit erst als Ragnar seine Handaxt im Barbarenschädel vergräbt und grinsend die Zweihandaxt an sich nimmt.

Bei der Beute kommen wir auf eine Pistole mit Pulver und Kugeln, Münzen im Gesamtwert von sieben Gold, eine Decke, Feldflaschen, bei Kobelheim ein Slaanesh Symbol und eine Karte, beim Barbaren ein Knochenspiel und chaosbehaftetes Drogenpulver. Theo wird schnell von Gerd und mir erstversorgt und es scheint als hätte er großes Glück gehabt. Zwar blutet er wie ein abgestochenes Ferkel, aber Hand und Arm waren intakt.

Zur Sicherheit kontrollieren Gerd und ich die Gegend und entdecken an der Straße gegenüber im Wald versteckt drei dieser dunklen Rösser und einen weiteren Nordbarbaren. Ich nähere mich vorsichtig und bemerke dann, dass Gerd sich davon geschlichen hat. Klar, ein einfacher Soldat wie ich hält ihn nur auf. Ich schleiche weiter und erblicke den Barbaren in den Schatten stehen. Noch als ich anstürme, sehe ich das Gerd bis auf eine Handbreit an den Barbaren geschlichen war, um ihn zu meucheln. Meinen Ansturm und die schnellen Schwerthiebe pariert der Barbar locker, aber Gerd kann er nichts entgegen setzen. Gerd vollendet sein Werk und macht kurzen Prozess mit dem Hünen.

Mit unserer Plündertradition brechen wir auch an dieser Stelle nicht und finden weitere Münzen für insgesamt zwei Gold, einen Langspeer und ein Khorne-Symbol. Die ein Stück abseits einen der Feldküchen-Halblinge grasenden Chaos-Pferde sind zu unserem Glück und ihrem rasch folgenden Tod angekettet. Immer noch müde und niedergeschlagen, aber mehrere Gold reicher und besser ausgerüstet reisen wir weiter in Richtung Krähenhorst.

- aus den Reiseerzählungen
von Malrieth “Maru” Ruvindirion