Nagende Zweifel

Neersand, 04. Praios 1013 BF

Ich sitze mit Wolfhart und Emmeran in der Schankstube und wir diskutieren über unser weiteres Vorgehen. Die Strapazen des gestrigen Abends sind immer noch auf den Gesichtern der beiden zu erkennen und Emmeran, der durch den vivit mortuum schwer verletzt wurde klagt über ein Brennen seiner Wunden. Ich hoffe, dass er sich nicht infiziert hat, ist doch bekannt, dass die lebenden Toten Krankheiten übertragen.

Wolfhart möchte die Neuigkeiten über Laromir schnellstmöglich zu Corollku tragen und da Emmeran einen Medikus braucht, teilen wir uns auf und beschließen uns später vor dem Wachhaus wieder zu treffen um noch einmal im Licht des Tages mit Laromir zu sprechen. Ich hatte schon gestern Abend das Gefühl, dass etwas mit Laromir nicht stimmt. Zu bereitwillig gab er zu, der Schlachter vom Walsach zu sein und schien sich gar zu freuen, dass ihn endlich jemand gefasst hat. Irgendetwas ist da faul und ich will herausfinden was.

Nachdem Wolfhart über die Ergreifung von Laromir und die Umstände unter denen dies geschah berichtet hatte, bat Corollku ihn, noch einmal Laromir aufzusuchen um eine magische Untersuchung vorzunehmen. Sollte ihm der Zutritt verwehrt werden, könne er sich auf die Akademie berufen. Auch zu Kergov wusste Corollku etwas zu berichten. Dieser sei vor nicht all zu langer Zeit an der Akademie gewesen um eine Sprache zu erlernen und sei dadurch aufgefallen, dass er sich nach Liscom von Fasar und seiner Verbindung zu Corollku erkundigt habe. Nach weiterem Bohren Wolfharts, gibt Corollku zu, dass Liscom von Fasar sein Lehrmeister gewesen ist. Auf Wolfharts Bemerkung hin, dass das zu beschaffende Buch zu Spannungen in der Gruppe führen kann, fragt Corollku ob er sich einschalten müsse oder ob Wolfhart die Sache unter Kontrolle habe. Da Wolfhart dies bejaht, gibt er sich damit zufrieden.

Wir treffen uns vor dem Wachhaus und der Hinweis, dass wir von der Akademie geschickt wurden um mit Laromir zu sprechen, öffnet uns die Türen zu dem Kerker, in dem Laromir in schwere Ketten gehüllt seinem Schicksal hadert. Das Gespräch mit Laromir ist wenig erfolgreich. Der junge Eleve ist geistig verwirrt und der Unsinn, den er uns erzählt, bringt uns nicht weiter. Durch die von Wolfhart durchgeführte magische Untersuchung erfahren wir, dass ein dämonische Macht auf dem jungen Mann liegt. Da wir nicht sicher sein können, ob diese Macht ein Zauber dämonischen Ursprungs oder ein Zeichen von Besessenheit ist, bitte ich meinen Herrn um ein Zeichen. Das besprenkeln mit Weihwasser führt dazu, dass Laromir sich verändert. Wie die Schwärze der Nacht färben sich seine Augen nur um Augenblicke später gänzlich zu verschwinden. Das ganze dauert ein paar Herzschläge und beim Zweiten hinsehen, sind seine Augen wieder die alten. Dieses Zeichen ist für mich mehr als ausreichend. Wir haben es mit einem Dämon zu tun, der im Körper dieses Unglückseeligen gebunden ist.

Wieder auf dem Vorplatz vor dem Wachhaus bitte ich Wolfhart bei Corollku um einen Aufschub der für diesen Mittag angekündigten Hinrichtung vorzusprechen. Ich möchte die weiteren Umstände klären unter denen Laromir besessen wurde und da in Neersand kein Praios-Priester residiert, müsste für einen Exorzismus nach Festum geschickt werden.

Der einzige der uns bei der Aufklärung weiterhelfen kann ist Kergov. Wir beschließen ihn umgehend aufzusuchen und mit der, ihn belastenden, Aussage Laromirs zu konfrontieren.

Am Wasserturm angekommen stellen wir fest, dass Kergov das Feld geräumt hat und auf die Nachfrage bei den Nachbarn und anschließend am Hafen, erfahren wir, dass er heute morgen mit dem Schiff nach Festum abgereist ist. Da wir nicht damit rechnen, dass Kergov zurückkehrt, steigen wir noch diesen Nachmittag in das an den Wasserturm gebaute Backsteinhaus ein. Glücklicherweise verdeckt der regnerische Tag die Sicht und treibt die Passanten von der Straße, so dass unser Einbruch unentdeckt bleibt. Der Eindruck, dass Kergov nicht wiederkehren wird, verstärkt sich in dem Haus. Hastig wurden einige Sachen zusammengepackt und im Kamin findet sich ein Buch, welches Kergov zu verbrennen gedachte. Zu unserem Glück hat er nicht mit der schlechten Abdichtung seines Kamins und dem einsetzenden Regen gerechnet, so dass Teile des Buches noch lesbar sind. In diesem Buch schreibt Kergov von seinen Anrufungen an die Präzentorin der heulenden Finsternis und wie er einen ihrer Diener in den jungen Laromir getrieben hat. Verdammt sei seine Seele.

Im Backsteinhaus findet sich neben dem Buch nichts nützliches. Einzig Emmeran bedient sich großzügig an den zurückgelassenen Kleidungsstücken Kergovs, Wir rücken vorsichtig in den Wasserturm vor und gelangen durch das leere Untergeschoß und den leeren Mittelteil in das vollkommen dunkle Obergeschoss.

Das Obergeschoss, der Ritualraum des Turmes, stinkt vor Verwesung. Mit viel Blut wurden hier dunkle Rituale abgehalten und die Widersacherin angerufen. Neben einigen Ritualkomponenten und Schreibutensilien findet sich noch eine verschlossene Truhe in dem Obergeschoss. Mein leichtfertiges Öffnen eben dieser löst eine magische Falle aus und überzieht den Raum mit einem niederhöllischen Gestank, der uns flüchten läßt. Die nun geöffnete Kiste nehmen wir mit uns in Erdgeschoss und nachdem wir uns von dieser magischen Attacke erholt haben, schauen wir was wir geborgen haben.

In der Kiste findet sich ein Buch mit einem rotschwarzen Einband und einem Zeichen auf der Vorderseite. Es ist das von uns gesuchte und von Corollku begehrte Buch. Das in Zhayad geschriebene Zeichen auf dem Einband, jagt mir einen Schauer über den Rücken. Ich kenne dieses Zeichen. Es das Symbol der Widersacherin, der Herrin der Seelenmühle. Ich kann nicht fassen, dass Corollku so abgebrüht ist, einen Borongeweihten zu bitten, solch ein Buch zu ihm zurück zu bringen. Brennende Wut umschließt mein Herz und am liebsten würde ich Wolfhart das Buch aus der Hand reißen und es umgehend in den Kamin zu werfen, doch meine Freundschaft zu Wolfhart, Rashid und Emmeran hält mich von solch einem unbesonnenen Schritt ab.

Nun kommt es leider doch zu der Diskussion die ich zu vermeiden versuchte. Wolfhart besteht darauf dieses Buch an Corollku zurück zu geben doch das kann ich nicht zulassen, habe ich doch gelobt die Diener und Artefakte der Widersacherin auf Dere zu vernichten. Allerdings kann ich auch nicht die Hand gegen Wolfhart erheben, der Mann mit dem ich im Krieg Seite an Seite gekämpft habe. Ich erkläre ihm, dass dieses Buch einen Frevel an meinem Gott und damit an allem für das ich stehe, darstellt, doch das hat keinerlei Einfluss auf seine Entscheidung. Er behauptet, dass er meine Einstellung respektiere, doch auch ich müsse respektieren, dass er nun mal Corollku versprochen habe, ihm das Buch zu bringen. Diese Aussage erschüttert mich mehr als man den leicht daher gesagten Worten zutrauen würde. Zu behaupten, dass das Versprechen an Corollku mit dem Gelöbnis an einem der Zwölf gleichzusetzen sei, kann eigentlich nicht aus dem Mund eines Gläubigen kommen und doch ist Wolfhart dieser festen Meinung. Ich bete für ihn, dass er diesen Pfad nicht noch weiter geht. Noch einmal rede ich auf Wolfhart ein und bitte ihn, zum Haus Walsachblick zurück zu kehren, und nicht in einer solch düsteren Umgebung, eine solch wichtige Unterredung zu führen doch er weigert sich und will dieses Buch umgehend zur Akademie bringen. Emmeran unterstützt ihn darin und ist auch der Meinung, dass Corollku das Buch bekommen sollte. Ich muss sagen, ich hatte gehofft, dass Emmeran den Zwölfen nähersteht als sein Gebaren bisher vermuten ließ, doch scheint mir, dass ich diese Hoffnung fahren lassen muss.

Da meine Worte Wolfhart nicht von seinem falschen Weg abbringen können muss ich ihn ziehen lassen. Meine letzte Hoffnung ruht nun auf der Vernunft von Corollku, als ich Wolfhart zur Akademie folge. In der Akadamie angekommen werden wir sofort in Corollkus Arbeitszimmer geleitet, wo Wolfhart das unheilige Buch und das Tagebuch Kergovs an seine Spektabilität übergibt und die Erlebnisse im Turm berichtet. Das Buch wird umgehend von Corollku magisch untersucht und er scheint zufrieden zu sein, dass wir ihm das richtige Buch gebracht haben. Die Reste des Tagebuchs überfliegt er kurz und dankt uns dann, dass wir diese Aufgabe für ihn erledigt haben. Insbesondere mir rechnet er hoch an, dass ich dabei geholfen habe, dass Buch zu ihm zurückzubringen. Ich bin mir nicht sicher, was ich von dieser Aussage halten soll. Mein erster Eindruck ist, dass er mich verspotten will, doch im nach hinein denke ich, dass das nicht seine Intention gewesen ist.

Das Buch lässt mir keine Ruhe und ich spreche Corollku auf das Zeichen des Einbands an. Er erwidert darauf hin, dass ich einer Täuschung unterlegen sei und zeigt mir, zu meiner Überraschung, dass der Einband nun kein Zeichen mehr trägt. Er erklärt mir, dass sich der Einband verändert und das letzte Mal als er diesen gesehen hat, trug er das Zeichen des Herrn des verbotenen Wissens. Auf den Inhalt angesprochen versichert er mir, dass dieses Buch sich mit der Beherrschung von widernatürlichen Wesenheiten beschäftigt und nichts mit der Widersacherin zu tun hat. Vermutlich hat Kergov dieses Buch nicht gebraucht um die vivit mortuum zu erschaffen. Meiner Bitte das Buch mitnehmen zu dürfen, um es jemandem zu zeigen und seine Behauptung über den Inhalt zu bestätigen, widerspricht er. Ein einfaches Nein hätte ich akzeptieren müssen, doch der Grund warum ich es zu niemandem meiner Bekannten bringen darf, beleidigt mich und wirft kein gutes Licht auf seine Spektabilität, der ich gezwungen wurde zu vertrauen. Behauptet er doch ich dürfe es niemandem zeigen, da keiner meiner Bekannten etwas Gutes mit dem Buch im Schilde führen würde. Selbst auf meinen Erinnerung hin, dass er mit einem Vertreter der Götter spricht und es ihm damit wohl klar sein dürfe, dass meine Bekanntschaften hauptsächlich aus diesem Umfeld stammen, bewegt ihn nicht dazu sich zu entschuldigen. Das einzige Angebot was er mir macht ist, dass er Magistra Raudups bitten kann, es mir zu übersetzen. Da mir klar ist, dass Corollku dieses Angebot nicht gemacht hätte, wenn ihm nicht bewusst wäre was die Übersetzung ergeben würde, lehne ich ab. Statt dessen bitte ich ihn, dass zurückgewonnene Buch gut zu verwahren und stecke die Überreste des nun von Corollku nicht mehr benötigten Tagebuchs ein. Vielleicht werde ich diese Geschichte irgendwann einem Bekannten in Ragath erzählen und ihm das Tagebuch überlassen.

Die Einladung Wolfharts, auf den Erfolg dieser Aufgabe zu trinken, lehne ich ab. Für mich endet dieser Abschnitt mit einem Versagen und auch wenn es sicherlich nicht im Sinne des Ewigen gewesen wäre, nur um das Buch zu vernichten, dem Leben Wolfharts ein Ende zu setzen, bleibt ein nagender Zweifel ob die Entscheidungen die ich getroffen habe, die Richtigen waren.

Aus den Reiseerzählungen des
Boron-Geweihten Bruder Cordovan Boronar von Reuenhold

dpa says:

Für den unbedarften Leser: gegen Ende ist die Darstellung Corrolkus stark von Bruder Cordovans verletzten Stolz eingefärbt… “gezwungen wurde zu vertrauen”, “wirft kein gutes Licht auf seine Spektabilität”. Was Corrolku eigentlich sagen wollte ist, dass es schwer ist sich dem Bann des Buches zu entziehen und er es deswegen auch nicht Cordovan (und seinen Freunden) überlassen möchte.

ct says:

“gezwungen wurde zu vertrauen” bezieht sich eigentlich auf Wolfharts Entscheidung gegen Cordovans Rat und Willen das Buch an Corollku zu geben. Er zwingt damit Cordovan dazu dem Mann, der das Buch erhält, zu vertrauen, dass er damit nichts Schändliches anstellt. In Cordovans Position und Glaubensauslegung ein durchaus nachvollziehbarer Gedanke.