„Der Dieb von Arkenheim“ oder Emmeran in Not

Burg Arkenheim, 23. Praios 1013 BF

Nach einer kurzen Nacht ist es erneut Delian von Wiedbrück, der uns zur Eile treibt. Wir werfen den Gefangenen über den Sattel meines Pferdes, nachdem er nach einer knappen halben Stunde unserem Tempo nicht mehr folgen kann. Ich bin immer noch überzeugt, dass man auch Goblins der jeweiligen Gerichtsbarkeit übergeben muss. Als wir uns Burg Arkenheim nähern, weiß ich jedoch nicht mehr, ob dies in diesem Fall eine gute Idee ist. Schon auf dem Weg zur Burg überkommt uns ein ungutes Gefühl. Wir hören Geräusche aus dem Wald, wahrscheinlich Holzarbeiter. Mirya schaut sich um und sieht ein paar Leute des Barons, die einige Arbeiter überwachen. In der Nähe entdeckt sie Spuren von Goblins, die hier wohl regelmäßig entlang ziehen. Ihre Gruppe muss mindestens zehn, vielleicht gar fünfzehn Mann umfassen.

Das Dorf, das wir auf dem Weg zur Burg durchqueren, sieht heruntergekommen aus. Emmeran trennt sich von unserer Gruppe, um sich umzuhören und uns später zu berichten, wie die Bewohner ihre Lage sehen. Die Burg von Yelnan von Dunkelstein, Baron zu Kummersfelden, ist wie das Dorf in schlechtem Zustand: Sie ist eine halbe Ruine. Am Tor empfangen uns zwei grimmige, misstrauische Wachen. Leider ist der Baron für uns nicht zu sprechen, er ist verhindert. Probleme mit Goblins gibt es, aber genaueres wollen sie uns nicht mitteilen. Mirya entdeckt bei den Ställen frischere Spuren von Goblins. Sie hat leider keine Möglichkeit sich genauer umzusehen, die in der Burg überproportional vertretenen Wachen weisen sie deutlich zurecht. Sie dürfe sich nicht an Stellen umsehen, an denen sie nichts zu suchen habe.

Wir beziehen ob der eher geringen Gastfreundschaft erst einmal unsere Zimmer. Da man uns auch im Folgenden alleine lässt, haben wir beim Abendmahl die Möglichkeit, uns weiter zu besprechen. Dabei habe ich erneut die Chance von Wiedbrück den Unterschied zwischen Beratern und Gefolge näher zu bringen.

Nachdem von Wiedbrück sich wie Mirya und Cordovan zurückgezogen hat, sitze ich noch ein wenig mit Rashid zusammen. Emmeran taucht auf einmal auf und wir beschließen, noch einmal mit den Wachen am Tor über die Goblinspuren zu sprechen. Am Tor angekommen wird Emmeran von den Wachen darauf angesprochen, wie er in die Burg gekommen sei. Aus dem sich ergebenden Wortgefecht schließe ich, dass er wohl schon einmal von den Wachen abgewiesen worden war und einen anderen Weg in die Burg gefunden hat. Ich hatte in der etwas überraschenden Ankunftssituation auf Burg Arkenheim vergessen, sein späteres Kommen anzukündigen. Darauf hätte ich natürlich achten müssen.

Mein Eintreten für Emmeran hilft nicht. Emmerans uneindeutige, ausweichende Art in der Unterhaltung ist leider auch keine Hilfe. Die Wachen bestehen jedenfalls darauf, dass Emmeran die nach geltendem Recht für unbefugtes Eindringen in die Burg vorgesehenen 20 Stockhiebe bekommt. Davor will ich ihn natürlich bewahren. Nach einigen weiteren Wirren, in denen eine Sturmglocke geläutet wird, tauchen noch mehr Wachen, aber auch meine weiteren Begleiter auf. Allein von Wiedbrück beobachtet das Treiben aus der Ferne. Cordovan strebt einen Vergleich an. Schließlich gelingt es uns, selber eine Strafe bestimmen zu dürfen. Ich halte es für sinnvoll, eine Strafe zu wählen, die Emmeran nicht zu sehr fordert, die aber auch den Respekt vor der Gegenseite und ihrem Recht zum Ausdruck bringt. Ich schlage vor, Emmeran für zwei Tage für die Arbeiten in der Nähe der Burg abzustellen. Cordovan erklärt sich bereit, ihn zu bewachen – wobei dies eigentlich mehr Emmerans Schutz dienen soll.

Bevor wir diesen unglücklich verlaufenden Abend zu einem Ende bringen, kommen fünf Berittene mit zwei Gefangenen Goblins in den Hof. Es handelt sich um den noch recht jungen Baron mit Gefolge. Er hat wölfische Augen und ein außergewöhnliches Schwert an seiner Seite. Es könnte eines jener sechs Schwerter sein, die einer Legende nach von einem Meisterschmied vor mehr als eintausend Jahren in dieser Gegend geschmiedet wurden. Nachdem ihm der höchstrangige Wachmann, sein Name ist Thorben, für unsere Ohren nicht zu vernehmen offensichtlich kurz von den Geschehnissen in Kenntnis setzt, wendet sich der Baron uns zu. Er erlässt Emmeran seine Strafe, verhängt im gleichen Atemzug aber auch ein Hausverbot. Emmeran darf sich nur noch in meiner Begleitung in der Baronie bewegen und wird bei Zuwiderhandeln eingesperrt. Auf Nachfragen bestätigt der Baron Probleme mit Goblins. Diese sind unter anderem der Grund für die Holzfällerarbeiten in der Nähe der Burg. Von Wiedbrück, der mittlerweile zu uns gestoßen ist, erkundigt sich nach den Gefangenen. Diese werden zur weiteren Befragung in den Kerker gebracht.

Graftschaft Tobimora, 24.-26.Praios 1013 BF

Am nächsten Morgen reisen wir erneut sehr früh ab. Die Reise über führen wir eine längere Diskussion über den Unterschied von Recht und Gerechtigkeit, die erneut zeigt, dass Cordovan und ich hier von einander divergierende Ansichten vertreten. Die kommenden zwei Reisetage sind ereignislos. Wir erreichen am dritten Tag Grünwalden, das Ziel unserer Reise. Wie abgesprochen will sich von Wiedbrück der intensiven Befragung der Bevölkerung widmen, während wir uns auf den Weg in den Sumpf machen. Von Wiedbrück sucht nach Spionen und weiteren Hinweisen zum „Schrecken“. Die Art, in der er sein Vorgehen schildert, führt nicht nur bei mir zu dem Eindruck, dass er nicht nur zielstrebig sondern dabei auch ein wenig eingeschränkt in seiner Weltsicht ist. Dies zeigen ebenfalls seine ständigen abfälligen Bemerkungen über Emmeran und Rashid, denen ich wiederholt entgegentreten muss.

Wir anderen machen uns noch am selben Tag auf. Auf dem Weg in den Sumpf entdecken wir in der Nähe des ersten erreichbaren Dorfes – Hügelsteen – mehrere Boronsräder. In Hügelsteen treffen wir den Dorfschulze Bernhelm Korniger. Er berichtet uns von wiederholten, sich häufenden Räuberüberfällen in der Gegend. Einem dieser Überfälle, der knapp zwei Monate her ist, sind mehrere Personen aus der Gegend zum Opfer gefallen. Sie wurden am Wegesrand gefunden und dort begraben. Mehrere dieser Personen wurden durch Waffen niedergestreckt, einigen auf der Flucht in den Rücken geschossen. Nachdem wir ihn danach fragen erinnert der Schulze sich auch an Grabschändungen in der Gegend. Eine Bauernfamilie im Westen ist brutal getötet wurde. Nachdem sie begraben wurde, sind die Gräber geschändet und eine der Leichen zerstückelt worden. Unsere Befragung schließen wir mit dem Versprechen ab, dafür zu sorgen, dass der Zehnte nach Bergenhus kommt. Bisher hat sich Korniger nicht getraut, diesen zu schicken. Jedoch vertrösten wir ihn, wir müssen uns zuerst um deutlich Wichtigeres kümmern. Und so brechen wir auf, tiefer in den Sumpf….

Wolfhart Raibridar von Horigan zu Welmshof,
Baron von Falkenberg, Ehrenbürger von Gratenfels