Gernwards Martyrium
Trallop, 04. Tsa 1015 BF
Die Macht Borons in seinen geweihten Stätten vermag auch die stärkste Magie nur zeitweilig zu brechen. Gernward erwacht während wir mit Bruder Josold unser Morgenmahl einnehmen. Von den Geräuschen aus seiner Kammer aufgeschreckt, finden wir ihn sitzend auf seiner Pritsche vor. Er ist sehr schwach und es fällt ihm sichtlich schwer sich zu konzentrieren. Dennoch ist er von dem Wunsch beseelt, umgehend den Tempel zu verlassen. Er und die Götter haben keine Verbindung zueinander und er fühlt sich in einem Gotteshaus der Zwölf nicht wohl. Zu seinem Ungemach helfen wir ihm nicht sofort den Tempel zu verlassen und ihm bleibt nichts anderes übrig als sich unseren Fragen zu stellen, die er auch nach bestem Gewissen beantwortet.
Er hat, ebenso wie wir, in der letzten Nacht von der Schlange und dem Raben geträumt und genau wie bei uns wirkte dieser Traum so, als wenn es der Traum eines anderen gewesen sei. Solche Träume habe er schon viele gehabt, erzählt er uns. Wann genau das angefangen hat kann er uns allerdings nicht genau sagen. Er rekapituliert, dass es irgendwann im Praios gewesen sein muss. Während unserer Unterhaltung nutzt Wolfhart seine seltene Gabe und formt die astralen Ströme um Einblick in die Gedanken von Gernward zu erhalten und um zu sehen ob noch Magie auf diesem liegt. Wolfhart kann erkennen, dass die starke Magie, die noch gestern vorhanden war, nun gänzlich verschwunden ist. Die Bilder in Gernwards Kopf sind für Wolfhart leider nicht so leicht zu ordnen. Er empfängt wilde Bilder von Gwynna, dem Einschlafen und von einem großen Torbogen, der sich als Eingang zu einem Tsatempel herausstellt. Zwischen diesen Visionen sieht Wolfhart auch immer wieder einen schwach leuchtenden grauen Nebel.
Wir können wenig mit diesen Visionen anfangen doch das die Magie verschwunden ist, lässt uns ein wenig Hoffnung schöpfen, dass Gernward zu retten ist. Wir diskutieren, ob es sinnvoll ist ihn tatsächlich wieder aus der Obhut des Tempels zu entlassen und zu Faber zu bringen. Da ich allerdings nicht abzuschätzen vermag, welchen Schaden der Zauber angerichtet hat und auch die Abneigung gegen die Zwölf als mehr als suspekt erachte, bestimme ich, dass Gernward nicht zu Faber zurückgebracht wird. Emmeran scheint darüber sehr verärgert und behauptet, dass wir Gernward wie einen Gefangenen behandeln würden, dabei ist es doch nur zu seinem Besten.
Im Anschluss an das Gespräch, versuche ich ein wenig über die Vergangenheit unseres Schützlings herauszufinden. Josold ist mir leider keine Hilfe. Er kennt weder Gernward, noch weiß er von einem Tsatempel in der Nähe. Glücklicherweise kann mir Faber, dem ich kurzerhand einen Besuch abstatte, weiterhelfen. Er weiß, dass Gernward ein Novize der Tsa in Greifenfurt war und das er den Tempel dort aus irgendeinem Grund verlassen hat. Ob Gernward die Weihe abgelegt hat, weiß er nicht genau, rät mir aber es doch mal bei Laia in der Norderwacht zu versuchen. Nachdem ich Faber für seine Hilfe gedankt und ihn darauf hingewiesen hatte, dass wir möglicherweise mit Gernward zu ihm zurückkehren würden, mache ich mich auf zur Norderwacht. Laia, die tatsächlich einiges über Gernward weiß, erzählt mir, dass er den Tempel verlassen habe, kurz nachdem er und seine Frau ihr Baby verloren hatten. Nachdem auch seine Frau kurze Zeit später gestorben war, schwor er den Göttern ab. Er fühlte sich von Tsa im Stich gelassen und verraten.
Ich reite zurück zum Tempel und da ich jetzt den Grund für Gernwards Ablehnung kenne, steht es ihm frei den Tempel zu verlassen. Da es allerdings schon recht spät ist, beschließen wir, Gernward am nächsten Tag zu Faber zu bringen und begeben uns früh zur Ruhe. Müde von der gestrigen unruhigen Nacht schlafe ich schnell ein und beginne erneut zu träumen. Ich träume, dass ich auf einer Anhöhe stehe und sich unter mir mein Heerwurm durch die Lande zieht. Ich zerstöre Menschen, Dörfer und Städte. Ich versetze Berge und lenke Flüsse um. Auf meinen Befehl hin, ordnen sich die Sterne neu und schlussendlich zwinge ich die Götter in die Knie. Ich weiß ich habe gesiegt, doch der Sieg fühlt sich hohl an. Das letzte was ich höre bevor ich erwache, ist der Schrei eines Raubvogels. Schweißgebadet und wissend, dass nicht ich derjenige war der auf der Anhöhe stand, sitze ich in meiner Zelle auf meiner Pritsche. Emmeran steht besorgt neben meinem Bett und ich bin froh, dass ich diesen aufwühlenden Traum mit jemandem teilen kann. Wer ist so mächtig und wagemutig dem Herrn der Träume die Stirn zu bieten und einem seiner Diener, auf seinem geweihten Grund solche Träume zu schicken. Mich schaudert es bei dem Gedanken, wer zu so etwas fähig sein mochte.
Trallop, 05.Tsa 1015 BF
Gernward ist wieder in seiner Traumwelt gefangen. Die Befreiung währte nur kurz. Er hatte nicht einmal richtig Zeit sich zu erholen. Ich bete, dass mein Herr auf ihn wartet nachdem sein Martyrium vorbei ist. Wolfhart schlägt vor, dass wir uns sofort aufmachen um in Büchern oder bei Gelehrten, etwas mehr über diesen Zauber zu erfahren. Emmeran und ich sind allerdings der Meinung, dass wir eine solch weite Reise nicht einfach so antreten können. Wir müssten Gernward hier lassen und wer weiß, ob wir in unserem Zustand überhaupt weit kommen würden.
Wir beschließen also erst einmal hier zu bleiben und schicken Emmeran los, etwas Nahrung zu besorgen, da Bruder Josold auf längeren Besuch nicht eingerichtet ist. Während des Einkaufens erfährt Emmeran das morgen ein Ritterturnier vor der Stadt stattfinden wird. Weiterhin überhört er, dass gestern Nacht eine Wache von der Wehrmauer gestürzt ist und sich das Genick gebrochen hat. Ob es ein Unfall oder Mord war darüber kursieren die wildesten Gerüchte.
Als Emmeran uns davon erzählt, machen wir uns auf, den Oberst zu sprechen, hat er uns doch vor einem möglichen Attentäter gewarnt und nun ist die erste Wache tot. Riecht nahezu danach, dass sich dort jemand unbefugt Zutritt zur Stadt verschafft hat. Der Oberst hat seinen Hauptmann mit der Untersuchung des Toten betraut und bittet diesen, uns zu dem Leichnam, welcher im Keller des Wachhauses liegt, zu begleiten. Bevor wir dem Hauptmann in den Keller folgen nutzt Emmeran die Gelegenheit den Oberst nach dem Duftwasserverkäufer zu fragen. Der Oberst weiß nur, dass dieser einen Brief für die Herzogin abgegeben hat. Über Inhalt oder Antwort der Herzogin weiß er natürlich nichts zu berichten.
Im Keller des Wachhauses liegt auf einer aus Holz gezimmerten Bare, der zerschundene Körper des Wachmanns. Emmerans geschultes Auge entgehen die Kleinigkeiten, die vom unnatürlichen Tode künden nicht. Der Wachmann scheint erwürgt worden zu sein. Mit dieser Erkenntnis benachrichtigen wir den Oberst, da dieser wenig Zeit hat, veranlasst er die Wachen zu verdoppeln und die Kontrollen am Tor zu verstärken. Beim Verlassen der Burg entdeckt Emmeran einige Abgesandte der Akademie zu Donnerbach. Vielleicht können diese uns noch nützlich sein.
Diesen Abend probieren wir, ob die Magie auch einen Einfluss auf Emmeran hat, der bisher noch nicht geträumt hat. Weiterhin wollen wir probieren, ob der Abstand zu Gerward irgendeinen Einfluss auf die Stärke der Träume hat. Deshalb legt sich Emmeran direkt neben Gernward und Wolfhart einige Zellen weiter. Ich bleibe wach in dieser Nacht und beobachte die Schlafenden. Wie sich herausstellt ist Emmeran nicht Immun gegen die hier wirkende Magie und auch die Entfernung zu Gernward macht keinen Unterschied, denn auch Wolfhart träumt.
Nachdem es mir gelungen ist die beiden zu wecken, erzählen sie mir noch völlig verstört von ihrem Traum. Ein blutroter Turm auf einer schier endlosen roten Ebene, eine wabernde graue Wand in die sie gezogen wurden. Eine schier endlose graue Ebene verschmilzt mit einem grauen Himmel und eine Woge grauen Hasses, von der sie mit aller Kraft davon gelaufen sind. Beide liefen auf ein grünes Tor zu und waren sich bewusst, ich werde verfolgt. Verfolgt von einem Schatten. Mit letzter Kraft springen sie in das grüne Tor und erwachen. Doch beide sind sich sicher, der Schatten ist auch mit durch das Tor gesprungen und wartet nun in der Dunkelheit darauf, dass wieder einer der beiden alleine ist.