Das Wiedersehen

Runhag, 29ter Ingerimm 1015 BF

Der Morgen unserer Abreise aus Runhag ist trüb und grau wie selten im Ingerimm. Schweigsam und in Gedanken, immer noch bei den Worten der Druiden „Ihr werdet bald in hohem Alter sterben“, steigen wir auf unsere Pferde und machen uns auf den Weg gen Dragenfeld. Auch wenn ich nicht an dem Ritual teilgenommen habe, kann ich mich doch des Wissens nicht erwehren, dass diesen dereverbundenen Magier die Macht der Prophezeiung nachgesagt wird. Welche Bedeutung mag diese, aus unserer Sicht, unsinnige Aussage haben.

Trotz der schlechten Laune und des trüben Wetters kommen wir gut voran. Ich habe Rashid voraus reiten lassen, um zumindest eine kleine Vorwarnung zu haben, sollte uns jemand auflauern. Mir scheint zwar, dass Rashid diese Art der Erkundung nicht gutheißt, aber im Augenblick ist mir das gleich. Ich brauche jemanden dort und die Spannungen zwischen Wolfhart und Rashid waren in den letzten Tagen kaum auszuhalten. Wenn das so weiter geht, wird einer der beiden uns sicherlich verlassen. Reflektiere ich die Tage dieser Reise, so muss ich Emmeran recht geben, wir haben uns tatsächlich ein wenig verändert haben. Wir alle sind reizbarer und dickköpfiger als sonst. Erklären kann ich mir das allerdings nicht. Auch wenn diese Ereignisse schrecklich sind, so sind es nicht die ersten und schrecklichsten Ereignisse unserer gemeinsamen Reisen.

Etwa eine Stunde nach unserem Aufbruch kommen wir an eine kleine Schlucht, durch die einer der vielen Gebirgsbäche fließt, die sich irgendwann weiter im Westen sammeln und zu dem Fluss Braunwasser werden. Die einstig die Seiten der Schlucht verbindende Steinbrücke ist mutwillig zerstört worden. Anhand der frischen Bruchstücke kann diese Verwüstung noch nicht lange her sein und uns drängt sich der Verdacht auf, dass Korobar durch diese Tat mögliche Verfolger abschütteln wollte. Da die Brücke für uns unpassierbar ist, sende ich Emmeran aus, die nahe Umgebung zu erkunden, um nach einem anderen Überweg zu suchen. Rashid macht sich derweil daran durch die Schlucht zu klettern um auf der anderen Seite zu kundschaften. Beide kehren ohne neue Erkenntnisse zurück, so dass uns nur die Möglichkeit bleibt die Brücke provisorisch zu reparieren. Da wir kein entsprechendes Werkzeug haben, mache ich mich eiligst auf den Weg zurück nach Runhag, um einen Zimmermann zu holen. Mit Sodelhold, dem Dorfzimmerer kehre ich zu meinen Mitreisenden zurück und gemeinsam gelingt es uns in einem harten Tag Arbeit die Brücke wieder herzurichten.

Sichelstieg, 30ter Ingerimm 1015 BF

An diesem Morgen können wir die Früchte unserer gestrigen Arbeit ernten und mit unseren Pferden über die aus Bäumen errichtete Brücke gehen. Auf der anderen Seite angekommen schicke ich Rashid wieder voraus und wir setzen unseren Weg fort.

Was einigen eher und mir recht spät auffällt ist die Tatsache, dass die Tiere diesen Ort anscheinend verlassen haben. Wo gestern noch Vogelgezwitscher zu hören und der ein oder andere Hase uns neugierig beobachtet hat, sieht man jetzt höchstens die ein oder andere Spinne, die in ihrem vom Tau überzogenen Netz sitzt. Tsa steh uns bei, welch niederhöllische Teufelei erwartet uns.

Nach einigen Stunden Ritt durch die Stille, die Landschaft um uns herum ist bereits deutlich hügeliger geworden, werden wir vom Surren eines Armbrustbolzens aus unseren düsteren Gedanken gerissen. Einige Hügelkuppen vor uns, Rashid sieht es als erster, stolpert ein Mann so eben den Pfad herunter. Er scheint verletzt und uns allen ist klar, dass der abgefeuerte Bolzen, sicher diesem Mann galt. Ich gebe meinem Ross die Sporen und presche los um diesem Mann und auch Rashid, der sich möglicherweise auch alsbald in einer brenzligen Situation befinden könnte, zur Hilfe zu eilen. Als ich die beiden erreiche, ist Rashid dem nun gestürzten Mann zur Hilfe geeilt und kümmert sich um ihn.

Der am Boden liegende ist niemand geringer als Oberst Delian von Wiedbrück. Ich halte mich nicht lange auf und galoppiere den Hügel hinauf um den Schützen auf der anderen Seite zu stellen. Als ich die Kuppe des Hügels erreiche lässt mich der Anblick für einen Augenblick erstarren. Auf der anderen Seite erwartet mich Korobar und seine Begleiter, oder was auch immer von ihnen übrig ist. Kalte Wut packt mich und auch wenn mein Verstand mir sagt, dass ich auf meine Begleiter warten sollte, setze ich zum Sturmangriff an. Die lebenden Leichen, die sich um Korobar scharen, sind ehemalige Mitglieder der Formidablen Sechs. Im Vorbeireiten sehe ich zu meiner Rechten noch den Armbrustschützen, der eilig seine Armbrust nachlädt. Auch wenn dieses Ziel taktisch klüger gewesen wäre, setze ich meinen Angriff auf Korobar und seine Leichen fort. Nachher wird mir klar warum ich nicht den Schützen zuerst ausgeschaltet habe. Er lebte.

Details des Kampfes zu beschreiben, ist Aufgabe der Skalden und Barden und nicht die eines Ritter Borons, aber soviel sei gesagt: ich muss unbedingt eine Möglichkeit finden mich eines Magiers zu erwehren. Erneut gelingt einem Magier die Flucht indem er mich mit einem niederhöllischen Pesthauch zu Boden wirft.

Nach dem Kampf helfen wir dem einzig noch Lebenden der Formidablen Sechs sowie Oberst von Wiedbrück so gut wir können. Es gelingt uns die Beiden zu stabilisieren, aber mit uns nach Dragenfeld können sie auf keinen Fall weiterreisen. Nach einigem Hin und Her entscheiden wir uns dafür Hochwürden Linai mit den Verletzten zurück nach Runhag zu schicken. Sie wird im Anschluss versuchen uns einzuholen. Auch wenn mir nicht wohl bei dem Gedanken ist, ihre Hochwürden alleine loszuschicken, bleibt uns wohl keine andere Wahl.

Um den geschändeten Toten ihre letzte Ruhe und eine angenehme Reise in Borons Hallen zu ermöglichen, heben meine Gefährten und ich für jeden ein Grab aus und geben ihm eine ordentliche Bestattung. Während der Beisetzung fällt uns auf, dass die Wiederbelebten eine Art Nagel im Kopf haben. Nachdem wir diese entfernt haben, erklärt uns Wolfhart, dass es sich dabei um ein seltenes Metall handelt und dass diese Nägel mit einem Zauber belegt waren, der die Animatio der Leichen ermöglichte. Der Zauber wäre aber nun verflogen und da das Material sehr teuer ist, besteht Wolfhart darauf die Nägel mitzunehmen und zu verkaufen. In ruhigem Ton versuche ich Wolfhart zu erklären, dass diesen Nägel den Makel der Präzentorin der heulenden Finsternis tragen und es deshalb angebracht wäre diese zu zerstören. Wolfhart interessiert das natürlich nicht. Er beharrt auf der Unbedenklichkeit dieser Artefakte und ich kann wieder das gierige Glänzen in seinen Augen sehen, als er mir erneut zu erklären versucht, dass wir das Geld doch dringend brauchen können. Erneut frage ich mich, warum Wolfhart immer noch glaubt mich mit so armseligen Argumenten wie Geldbedarf überzeugen zu können. Auch wenn wir die Diskussion über diese Artefakte vertagen, indem wir sie erst einmal Hochwürden Linai mitgeben, werde ich in diesem Fall nicht von meiner Meinung abrücken. Die Nägel werden zerstört und wenn ich Wolfhart seinen Teil der Nägel abkaufen muss.

Bevor Hochwürden Linai zurück reist, nutzen wir noch die Gelegenheit mit Oberst von Wiedbrück über die Geschehnisse zu sprechen. Es geht ihm etwas besser und meine Begleiter können sich den Spot und die Stichelei nicht verkneifen, als der Oberst zugibt, einen Fehler gemacht zu haben, indem er die Formidablen Sechs gewählt und uns abgewiesen hat. Er erzählt uns, dass er Korobar gestellt, er aber dessen Macht vollkommen unterschätzt habe. Innerhalb weniger Augenblicke waren einige von Oberst Wiedbrücks Begleitern unter der Kontrolle von Korobar und die anderen tot, so dass dem gestandenen Kommissar nur die Flucht blieb. Der Oberst ist sich sicher, dass Korobar einen Pakt mit der Widersacherin eingegangen ist und es geschafft hat, den gesamten Landstrich unter seine Kontrolle zu bringen. Sollte das wahr sein, so werde ich in Borons Namen Vergeltung üben.