Das Finale auf Burg Dragentod

Als die Sonne über der trostlosen Landschaft aufging, machten wir uns bereit dem Schrecken und diesem Echsenanbeter gegenüberzutreten und ihre Pläne zu durchkreuzen. Während sich meine Gefährten – denn trotz aller Differenzen waren sie das ganz sicherlich – in ihrer Art auf das Kommende vorbereiteten, machte auch ich mich bereit.

Der uralten Tradition der Krieger Feqzens folgend bestrich ich mein Gesicht mit Blut. Leider musste ich dazu mein eigenes nehmen, da Echsen hier nirgends zu finden waren. Ich konnte jedoch nicht mehr tun, als darauf zu hoffen, dass dies ausreichen würde. Während ich mich so vorbereitete und die heilige Meditation des Mungos zelebrierte, wanderten meine Gedanken ganz automatisch zurück zu Sahib al’Nassar, der mich all dies gelehrt hatte und der mich darauf vorbereitet hatte, was ich nun zu tun hatte. Es war an mir, dem Echsenbeschwörer die Stirn zu bieten. Zwar hatte ich durchaus Hoffnung, dass mir dies mit der Hilfe Feqzens und der Unterstützung meiner Kameraden auch gelingen könnte. Jedoch wusste ich auch, dass ich die Hilfe Feqzens dringend benötigen würde. Zu sehr hatten mich die Veränderungen, die auch die Landschaft zeichnete, ausgelaugt und ermattet. Es schien fast so, als würde einem in dieser Gegend die Lebenskraft ausgesaugt und dieser Effekt war immer schneller abgelaufen, je näher wir der Grenzfest gekommen waren, welche bedrohlich über Dragenfeld aufragte. Und nun würden wir ins Herz derselben vorstoßen, um mit der Hilfe der Zwölfe alles in unser Macht stehende tun, um diesem Treiben Einhalt zu gebieten.

Nach Abschluss unserer Vorbereitungen versammelten wir uns vor dem Tempel der TSA und legten uns jeder einen Schal der TSA um, auf dass wir den Segen der jungen Göttin dahin mitnehmen würden, wohin wir uns nun begaben. Dann begannen wir den etwa 500 Schritt langen Aufstieg. Dass meine Gefährten während ihrer Vorbereitung ähnlich düsteren Gedanken nachgehangen waren, war ihren entschlossenen Gesichtern unschwer abzulesen. Lediglich Cordovan schien die Aussicht seines baldigen Todes fast zu erfreuen; begleitete ihn doch eine Art Aura als wandelte sein Gott neben ihm.

Entgegen meiner Erwartungen gestaltet sich der Aufstieg bis zum Tor der Feste ereignislos und auch das Eindringen in dieselbe ist relativ unkompliziert. Ist doch der Querbalken, welcher das Tor von Innen sichert so morsch, dass er fast sofort zerbirst. Im Inneren der Fest bietet sich ein desaströsen Bild. Die Wirtschaftsgebäude sind fast vollständig zerfallen und auch dem hölzernen Aufstieg zum Wehrgang, der den Innenhof umgibt, würde ich mein Gewicht nicht anvertrauen. Bevor noch eine Diskussion entstehen kann, erkläre ich, dass ich schnell die Wirtschaftsgebäude auf Bewohner untersuchen werde, auf dass uns niemand in den Rücken fallen kann, wenn wir uns unserem eigentlichen Ziel, dem Turm, zuwenden werden. Die Gebäude sind verlasse, jedoch finde ich im alten Rittersaal drei verstorbene Seelen, Geister, die darüber philosophieren, dass der Fremdländer Zeit für irgendjemanden stiehlt. Eine Beobachtung, die ich nicht ganz einordnen kann, deren Effekt ich jedoch schon an mir selbst beobachtet habe. Ob es sich bei diesen Geistern wohl um die von Emmeran erwähnten Weidener handelt, die mit der Erschlagung eines Drachen in grauer Vorzeit diesem Ort ihren Namen gaben. Da ich keine Zeit habe, weiter darüber nachzudenken, kehre ich zu meinen Gefährten zurück und berichte Ihnen kurz von meinen Entdeckungen.

Gerade als wir uns nun dem Turm selbst zuwenden wollen, schlägt ein Bolzen neben uns im Boden ein. Wir sind also bemerkt worden. Wie überaus dämlich auch von uns so lange im Innenhof wie auf dem Präsentierteller herumgestanden zu haben.

Jetzt ist Eile geboten. Wir hechten zum Turm rüber, dessen Tür sich problemlos öffnen lässt. Als ich allerdings mit meinem Spiegel hineinschaue, sehe ich zwei formidable Ritterrüstungen, welche den Aufstieg ins nächsthöhere Stockwerk bewachen. Die Aura, die sie umgibt, lässt uns schnell erahnen, dass keine Menschen in ihnen stecken. Wir entschließen uns dazu, die Rüstungen nach draußen zu locken und dann an Ihnen vorbei ins Innere des Turms zu stürmen. Die Idee mag gut gewesen sein, die Umsetzung gelingt jedoch nur bedingt. Zwar gelingt es mir eine der Rüstungen hinter mich her zu locken, die andere folgt jedoch Cordovan, der in seiner Rüstung einfach zu langsam ist, ihr zu entkommen. So dreht er sich um und stellt sich seiner Rüstung. Das Skelett holt mit seinem mächtigen Zweihänder aus und schlägt nach Cordovan. Dies bewegt mich dazu mit voller Wucht auf es zuzulaufen und zu versuchen es umzureißen. Diesem Manöver ist jedoch wenig Erfolg beschienen. Zum Glück kann ich mich dank meiner akrobatischen Ausbildung und trotz meiner, im Vergleich zu früher, deutlich eingeschränkten Beweglichkeit gerade noch abrollen. Dass Cordovan meiner Unterstützung gar nicht bedurfte, stellt er im Folgenden eindrucksvoll unter Beweis. Noch nie habe ich gesehen, dass jemand mit Hiebwaffen solch einen Schaden anrichten kann. Mit lediglich zwei Schlägen mit seinem Boron geweihten Rabenschnabel demoliert er die Rüstung dermaßen, dass sie in ihre Einzelteile zerfällt. Ebenso ergeht es der zweiten wenige Minuten später.

Dies bekomme ich jedoch bereits nicht mehr mit, da ich Emmeran nacheile, der sich in das nächsthöhere Stockwerk aufgemacht hat. Ich begegne ihm auf der Treppe, als er gefolgt von zwei Skeletten hinunter stürmt. Während ich mich dem einen davon entgegenstelle und es besiegen kann, erledigt der inzwischen zu uns aufgeschlossenen Cordovan das seine mit einem einzigen Schlag. Dabei scheint das Auftreffen seines Rabenschnabels so etwas wie Druckwellen durch die Skelette zu jagen und sie beinahe von innen heraus zu zersprengen.

Eilig hasten wir ins – nun leere – nächste Stockwerk, in welchem wir ein alchimistisches Labor mit allerlei Gerätschaften und zerfallenen Folianten entdecken. Da uns jedoch die Zeit für eine genauere Untersuchung fehlt, stürzen wir direkt weiter in das nächste Stockwerk.

Auch die, in diesem Stockwerk auf uns wartenden Skelette, stellen für Cordovan keine Gegner dar. Die auf den Boden aufgemalten und mit tulamidischen Schriftzeichen versehenen geometrischen Gebilde sind schnell verwischt. Auch die Turmuhr, aus welcher, so Wolfhart, ihn etwas abgrundtief Böses anstarrt, zerschellt mit einem Riesenknall auf dem Burghof. Das irre Kreischen, welches diesem Aufprall folgt, bestätigt seine Aussage. Das daraufhin erschallende “Thargunitoth, Thargunitoth” veranlasst uns schleunigst in das oberste Stockwerk zu eilen. Mein Spiegel zeigt mir, dass hier inmitten von Schutttrümmern der eingefallenen Decke Korobar zusammen mit der Armbrustschützin und einem weiteren Zwerg auf uns wartet. Hinter diesen dreien ist ein halbzerfallenes Banner zu sehen, auf dem Schwarz auf Rot deutlich eine ominöse Rune zu sehen ist. Den Magiekundigen wird die Bedeutung bewusst, dieses Siegel, gebildet aus den Zhayad-Zeichen TGNT, ist der erzdämonischen Wesenheit geweiht, deren Name durch den Turm hallte. Zu allem Überfluss stürzen sich just als ich das weitere Vorgehen mit meinen Kameraden absprechen will, skelettierte Raben aus der tiefschwarzen, über dem Turm hängenden Wolke auf uns herab. Da uns keine Zeit mehr bleibt das weitere Vorgehen abzusprechen, stürze ich mich mitten hinein in Cordovans Alptraum. Hier zeigt sich, dass ich mir unbedingt eine widerstandsfähige Rüstung zulegen muss. Denn obwohl ich mich gekonnt abrolle, trifft mich der Bolzen des Armbrustschützen, so dass das fast zeitgleich auf mich einhackende Rabenskelett mich um Haaresbreite zu Boron schickt. Aber auch so kann ich mich kaum auf den Beinen halten und muss mich aus dem Kampf zurückziehen. Welch eine Schmach!

So kann ich nur beobachten, wie Wolfhart mit seinem Stab voran, an dessen Ende eine Fackel entstanden ist, auf das Banner zustürzt und Emmeran einen schweren Treffer von dem Zwerg einstecken muss. Das ich dies aufschreiben kann, verdanke ich jedoch Cordovan, der sich der Armbrustschützin, welche mit ihrem Beil auf mich eindringen will, gegenüberstellt. Wenig später haben wir mit vereinten Kräften Korobar niedergestreckt und auch das Banner brennt lichterloh, woraufhin die Rabenskelette ins Trudeln geraten und schließlich zu Boden fallen. Als der Zwerg dies wahrnimmt löst er sich von dem Kampf mit Emmeran, rennt auf eine der Schießscharten zu und stürzt sich zusammen mit Steinen und Mörtel sowie dem Todesschrei „Blakharaz ich komme“ in die Tiefe. Ob der arme Tropf wohl weiß, was auf ihn wartet? Dies stellt jedoch nicht das Ende dieses Kampfes dar. Denn obwohl sie nun 4:1 in der Unterzahl ist, will sich die verbleibende Söldnerin nicht ergeben sondern kämpft verbissen weiter – allerdings nicht sehr lange.

Schnell müssen wir jedoch feststellen, dass der Sieg über Korobar das Ritual nicht beendet haben kann. Denn obwohl dieser tot zu unseren Füßen liegt, löst sich der Wolkenwirbel nicht auf sondern verdichtet sich im Gegenteil immer weiter und schneller. Nach kurzer Beratung nehmen wir Korobars Stab an uns und sprinten die Stufen des Turms wieder hinunter und weiter in das Kellergewölbe. Hier scheint unsere Suche dann allerdings ein jähes Ende zu finden, da es außer der Treppe nach oben keinen weiteren Ausgang zu geben scheint. Dieser Eindruck trügt jedoch, finden Emmeran und Wolfhart doch kurze Zeit später einige Zeichen unter den Resten eines Teppichs der genau dort liegt, wo nach der Architektur des Turms die Treppe weiter gehen müsste. Während die beiden jedoch noch darüber diskutieren, wie die Zeichen funktionieren, wischt Cordovan sie einfach weg. Dass diese Aktion jedoch – mal wieder – vorschnell war, merkt er augenblicklich, da er wie von einem Rondrikan erfasst durch den Raum und gegen die Wand geschleudert wird. Ob er allerdings für spätere Untersuchungen aus dieser Situation lernen wird, wag ich zu bezweifeln, da er selbst kaum Schaden nimmt. Lediglich einige der Lederriemen seiner Rüstung halten sicherlich auch auf Grund ihres fortgeschrittenen Alters der Belastung nicht mehr stand.

Jedoch ist jetzt der „Schutz“ dahin, den die wohl zauberkräftigen Zeichen boten. Sehen wir doch alle jetzt die Treppe, die ein Stockwerk tiefer führt. Dieser ist bis auf einer kupferbeschlagenen Falltür, die mit einem achtfachen in den Boden eingelassenen Kreidestern umgeben ist, leer. Wolfhart informiert uns, dass es sich bei den Zeichen, die sich um den Stern gruppieren, ebenfalls um Zeichen aus der Magiersprache Zhayad handelt und er die Aspekte Schutz und Wache sowie Mishkhara, also des dämonischen Widersachers der Peraine, ausmachen könne. Diesmal ist es Emmeran, der ohne lange Nachzudenken den Stern betritt und die Falle auslöst. Was sich nun vor unseren Augen manifestiert, lässt mir das Blut in den Adern gefrieren. Eine mit Krallen bewehrte, schleimtriefende Kreatur, die selbst den Stein unter ihr aufweicht und Blasen bilden lässt. Schnell merke ich, dass das Verwischen des Kreidesterns keinen Effekt hat. Da jedoch zum einen meine Waffen gegen diese Kreatur augenscheinlich nichts ausrichten können und ich zum anderen immer deutlicher die Auswirkungen unserer Alterung spüre, warte ich, bis Emmeran, Wolfhart und Cordovan sie in die Niederhöllen zurück geschickt haben.

Nachdem meine Gefährten den Dämon besiegt haben, öffnen wir die Falltür und finden darunter einen Schacht und eine rötliches Licht ausstrahlende Schutzkuppel. Nachdem wir diese zerstört haben, umgibt uns ein graues Wabern und wir scheinen schwerelos und losgelöst von den Gesetzen Deres zu fallen bzw. vielmehr eben zu schweben. Schnell erkennen wir Lichtpunkte in der Ferne und versuchen uns diesen zu nähern. Augenscheinlich müssen wir uns in einer anderen Wirklichkeit befinden, denn nicht nur, dass die Dimensionen nicht mal annähernd zu denen des Turmes passen, auch nähern wir uns den Lichtpunkte deutlich schneller als dies zu erwarten wäre. Schon können wir Einzelheiten ausmachen: Einen dreizehnstrahligen Stern, an dessen jedem Ende eine Gestalt angekettet ist und eine in silbriges Licht getauchte Person im Zentrum des Stern, der einen Edelstein über seinem Kopf hält. Während einige der Gestalten an den Ecken des Sterns bereits tot zu sein scheinen, winden sich die anderen voller Qualen mit aufgerissenen Mündern hin und her. Man sieht wie sich die Haut dieser bedauernswerten Menschen pergamentartig über ausgedörrte Leiber und spitze Knochen spannt oder in großen Fetzen an ihnen herunterhängt.

Auch wenn mich diese Menschen dauern, überlasse ich es doch meinen Gefährten sich um sie zu kümmern und sie entweder von ihren Leiden zu erlösen oder aber von ihren Ketten zu befreien. Ich hingegen treibe auf den Echsendiener zu, bereit mich meiner Bestimmung zu stellen. Und dass wir fast zu spät gekommen wären, zeigt sich kurz bevor ich mein Schwert mit letzter Kraft in seine Brust stoße. Begann er doch gerade sich zu verjüngen. Dann geht alles in einem Strudel aus Grau unter. Die Zeit zieht an uns vorbei und wie in den Träumen zuvor scheinen wir endlos lange zu fallen.

Wie uns Wolfhart jedoch später berichtet, hat der Tod des Beschwörers das Ritual scheinbar nicht vollständig verhindern können. Habe er doch nicht nur das Gefühl des Fallens erlebt, sondern parallel dazu eine Präsenz gespürt, die durch ihn hindurch in unsere Welt gelangt sei. Auch einen Namen konnte er uns nennen: BORBARAD, den Schwarzesten aller Magier.

Der Rest ist schnell erzählt. Wir sind nicht gestorben. Vielmehr erwachten wir einige Tage später am 6. Rahja im TSA-Tempel von Dragenfeld, wo uns Delian von Wiedbrück hingebracht hatte, nachdem er uns in den Trümmern der völlig zerstörten Feste gefunden hatte. In den von mächtiger Magie und dem Zeitenstrudel verheerten Ruine fand sich nicht mehr viel, doch Delian händigt uns eine Truhe mit etwas mehr als 100 Dukaten aus. Den nächsten Tag machen wir uns auf den Weg zurück aus dem Reich des Todes in das Reich der Lebenden, um nach Anderath zurück zu kehren und den Praioten Bericht zu erstatten. Dass unsere Gedanken allerdings noch lange nicht in der Gegenwart angekommen sind, wird allein daran deutlich, dass wir außer den absolut notwendigen Kurzgespräche schweigsam dahin marschieren. Ob von Wiedbrück wohl diese „neue“ Truppe besser gefällt als die mir der er in Tobrien den Schrecken zum ersten Mal jagte?

Aus den Erinnerungen von
Rashid al’Fessir ben Hairan al’Kira ibn Naisr al‘Alam