Die Sorgen des Falkens
Baliho, 22ter Travia 1016 BF
In etwa einen Götterlauf ist es nun her, dass ich und meine Gefährten in diesem verstaubten Flecken Deres Zeuge von Hochwürden Linais Vision wurden und auch wenn nun eine dicke Schicht Schnee die Straßen und Gassen bedeckt, so kann ich noch immer den Staub des Sommers auf der Zunge schmecken.
Der Einladung Herzog Waldemars folgend, hatte ich mich zusammen mit Rashid auf den Weg nach Trallop gemacht. Dort erfuhren wir von den seltsamen Vorkommnissen in Weiden. Den Vorkommnissen, denen Waldemar der Bär, gestandener Kämpe vieler Schlachten, sich nicht traute einen Namen zu geben. Er bat Rashid und mich, doch nach Baliho zu reisen und uns mit Wolfhart und Emmeran zu treffen, die schon mit den Untersuchungen angefangen hatten. Weiterhin teilte er uns mit, dass Baron Avon Nordfalk von Moosgrund ihn gebeten habe, doch jemanden zur Unterstützung nach Moosgrund zu schicken. Wir sollten in Erfahrung bringen, ob Wolfhart und Emmeran schon eine weitere Spur verfolgen und falls nicht, wäre es gut, wenn wir gemeinsam nach Moosgrund reisen.
Das Wiedersehen mit Wolfhart, Emmeran und zu meiner Überraschung auch Liasanya, im Kaiserstolz und Orkentod war herzlich, wurde allerdings nach kurzer Zeit durch die Ankunft von Hauptmann Richolf Emmerbinge unterbrochen. Dieser bat uns im Namen seines Herrn Baron Avon Nordfalk von Moosgrund, eben diesen in Moosgrund aufzusuchen. Da sich dieses mit der Aufgabe Waldemars deckte, beschlossen wir am nächsten Morgen aufzubrechen. Glücklicherweise war Boril der stämmige, stets etwas angetrunkene, norbardische Kutscher meiner Gefährten, welcher in den frühen Morgenstunden angegriffen wurde, nicht so schwer verletzt wie es erst ausgesehen hatte, so dass diesem Vorhaben nichts im Wege stand.
Den Tag über verbrachten meine Gefährten und ich mit Erledigungen in der Stadt. Ich besuchte Hochwürden Linai um mich nach ihrem Befinden zu erkundigen und um zu sehen, wie gut sie die Geschehnisse um Dragenfeld verarbeitetet hatte. Glücklicherweise war sie guter Dinge und schien die düsteren Stunden verdrängen zu wollen. Ich genoss noch eine Tasse Tee mit ihr und machte mich dann wieder auf den Weg zum Kaiserstolz.
Fast hätten Emmeran und ich uns die Klinke des Traviatempels in die Hand gegeben, kam dieser doch nur wenige Augenblicke nach meinem Verlassen mit einer recht ungewöhnlichen Bitte zu Mutter Linai. Von Gewissensbissen geplagt bat er Mutter Linai, einem leichten Mädchen Namens Dunja, als Wiedergutmachung für die Schläge die dieses Mädchen bekommen und die er zu verantworten hatte, ein Geschenk zu überreichen. Zu einem falscheren Ort hätte er mit dieser Bitte wohl nicht gehen können. Travia die Göttin der Treue und der ehelichen Liebe und er bittet darum, dass die Hochgeweihte ein Freudenhaus besucht. Hätte ich damals davon erfahren, ich hätte laut gelacht. Natürlich lehnte Mutter Linai ab und so versuchte Emmeran sein Glück bei Rashid. Da dieser für die passende Entlohnung nahezu jeden Auftrag annimmt, war es für ihn eine Selbstverständlichkeit Emmeran zu helfen. Im Verlauf des Gesprächs mit Dunja im Freudenhaus Flinke Minna, erklärte Rashid ihr, dass sie jederzeit im Traviatempel unterkommen und Schutz suchen könne. Weiterhin übergab Rashid ihr das Geschenk ohne jedoch zu erwähnen, dass es von Emmeran kommt, auch wenn er diesem am nächsten Morgen was anderes erzählte.
Baliho, 23ter Travia 1016 BF
Die Kutsche war beladen, die Pferde gesattelt und wir machten uns auf, Richtung Moosgrund. Unseren Erkundigungen nach sollten wir Moosgrund in den Abendstunden erreichen.
Gegen Mittag fiel mir ein Bursche am Wegesrand auf, der die Straße und unser Entgegenkommen beobachtete. Ich vermutete, dass dieser, für ein paar Strauchdiebe, den Weg auskundschaftet und mahnte meine Begleiter zur Vorsicht. Während Wolfhart und ich die Gegend erkundeten, warteten die anderen in der Kutsche. Doch lange mussten sie nicht ausharren, entdecken Wolfhart und ich schnell, dass ich mit meiner Vermutung recht gehabt hatte. Die Begleiter des Burschen lagerten, wie es schien auch schon einige Tage, am Rande einer kleinen Waldgruppe. Uns war klar, dass es sich um Wegelagerer handeln musste und nach einigem hin und her entschlossen wir uns dazu, sie festzunehmen und nach Moosgrund zu bringen. Rashid, Emmeran und Liasanya, denen wohl zu warm im Wagen geworden war, kamen zu unserer Unterstützung. Auf befehlsgewohnte Art und mit der Autorität des Herzogs im Rücken befahl Wolfhart, dass die drei entwaffnet und nach Moosgrund geleitet werden sollten. Anstatt sich allerdings der Anweisung zu fügen, ergriffen die drei ihre Waffen und ein kurzer Kampf entbrannte, den wir allerdings mühelos für uns entscheiden konnten. Unsere Vermutung der Wegelagerei wurde in Moosgrund bestätigt. Auf die Bande war ein Kopfgeld von vierzig Silbertalern ausgesetzt. Zu meiner Überraschung schlug Emmeran vor, das Geld dem örtlichen Rondratempel zu spenden, was auch die anderen für eine gute Idee hielten.
Nachdem wir die Gefangenen übergeben hatten, machten wir uns auf, dem Baron die Ehre zu erweisen und uns anzuhören, wie wir der Weidener Obrigkeit den helfen können. Der Empfang beim Baron war freundlich, auch wenn man merkte, dass Avon Nordfalk wohl eine etwas schlagkräftigere Truppe erwartet hätte. Wie jeder weiß ist der Baron von Moosgrund im Feld gefürchtet. Als Streiter des Reiches hat auf nahezu allen Schlachtfeldern der letzten 10 Jahre gekämpft und gilt als unerbittlicher Verfechter von Recht und Ordnung. Wen wunderte es nun, dass er ob unserer außergewöhnlich zusammengesetzten Gruppe etwas verwirrt war.
Lange ließ er sich das allerdings nicht anmerken und lud uns zum Abendessen in seinem Haus ein. Zwischen dem Schmalzbrot und der Ochsenflanke erzählte er uns, was ihn bewegte und warum er um Hilfe gebeten hatte. Seit dem letzten Neumond waren fünf Leute in Moosgrund spurlos verschwunden, sechs wenn man die Tochter der Fuchsbauerns mitzählte. Auf Nachfrage was das Mädchen von den anderen Vorfällen unterscheidet, erzählte er uns, dass die Kleine mitten in der Nacht aus dem Haus und in den angrenzenden Wald gelaufen sei. Die Geschwister hätten sie noch verfolgt doch alsbald ihre Spur verloren. Auch wenn diese Geschichte den Baron sicherlich nicht mit Freude erfüllte, so schien es doch, als glaube er nicht so recht daran, dass es sich so abgespielt haben mag. Wir bohrten aber nicht weiter und so erzählte er uns kurz darauf von dem wohl seltsamsten Verschwinden.
Die Weibelin Helmtrude habe des abends in der Schenke bei einem Krug Bier gesessen und sei dann urplötzlich aufgestanden. Verabschiedet hatte sie sich mit den Worten: “Ich meine da war etwas auf dem Wachturm“. Verwunderlich daran war, dass man von der Schenke aus, den außerhalb des Dorfes liegenden Wachturm überhaupt nicht sehen kann. Meiner Vermutung nach hätten diese Worte auch dazu gepasst, dass die Weibelin am Tage etwas auf dem Wachturm gesehen hatte, was ihr abends erst so richtig bewusst geworden war und von dem sie glaubte es jetzt sofort überprüfen zu müssen. Da der Baron seine Vasallen aber sicherlich besser kennt als ich, nahm ich an, dass dies wohl nicht Helmtrudes Art gewesen sei.
Wir hörten uns die Geschichten zu Ende an und diskutierten dann mit dem Baron, was denn wohl der Grund des Verschwindens sein könne. Seiner Meinung nach waren es die Orks, die sich in marodierenden Trupps immer wieder Leute greifen. Unserer Geschichte mit den Vampiren schenkte er keinen Glauben.
Da diese Vorfälle alle schon eine Weile zurück lagen, berichtete er uns noch von dem jüngsten Fall, bei dem er sich allerdings ziemlich sicher war, dass es sich dabei um Orks handeln musste. Das auf halbem Weg nach Rhodenstein liegende Gut Hardering sei überfallen worden. Er habe bereits einen Kundschafter ausgesandt, bat uns aber doch diesen Ort als erstes aufzusuchen um Nachforschungen anzustellen. Die Bitte war nicht ganz grundlos, lebt doch der Schildknappe der Göttin Urjel Hardering in Moosgrund. Dieser hatte von dem vermeintlichen Überfall gehört und drängte nun darauf Moosgrund in Richtung seines elterlichen Gutshofes zu verlassen. Da Baron Avon Nordfalk von Moosgrund um die Sicherheit des jungen Geweihten fürchtete, bat er uns diesen doch mitzunehmen. Wir versprachen darüber nachzudenken und zogen uns auf unsere bereitgestellten Gemächer zurück. Auf dem Weg hinaus diskutierten wir noch kurz das weitere Vorgehen und beschlossen am Morgen erst einmal Nachforschungen in Moosgrund anzustellen.
Moosgrund, 24ter Travia 1016 BF
Beim morgendlichen Frühstück wurden wir von einem stürmisch die Halle betretenden, jungen Ritter, in der Uniform der Rondrakirche, unterbrochen. Die Begrüßung in die Runde fiel unhöflich knapp aus und mit leichter Wut in der Stimme verlangte er vom Baron endlich zu wissen, wie dessen Antwort ausfiele. Uns fiel es nicht schwer herauszufinden, dass es sich dabei um Urjel Harding handeln musste. Ruhig aber bestimmt bat der Baron, den jungen Ritter sich zu setzen und an dem Frühstück teilzuhaben bevor er seine Entscheidung kundtue. Missmutig leistete der Geweihte den Worten folge und setzte sich. Während wir unser Essen fortsetzten, wurde der Baron erneut unterbrochen und bekam die von uns angeforderte Liste mit den Verschwundenen gebracht.
opa says:
Stichwort Kopfgeld: Emmerans Worte waren “Spendet es für einen guten Zweck.” - Dass das Geld dann der Rondra in den Rachen geworfen wird, konnte doch keiner ahnen …. :-)