Ein offenes Gespräch

Altnorden , 9ter Boron 1016 BF

Nach einem ausgedehnten Frühstück machen wir uns auf den Weg zur Baustelle. Rashid bleibt, ob der Kälte lieber im Gasthaus. Er sieht auch schon wieder so grün um die Nase aus. Der Gute verträgt das Weidener Essen einfach nicht.

Die Baustelle der neuen Stadtmauer ist einzelne Abschnitte unterteilt, in denen Gruppen von Arbeitern ihr Werk verrichten. Vereinzelt stehen auch einige von Ihnen an den verteilten Feuerkörben um sich zu wärmen. Der Vogt muss wahrlich gut bezahlen, dass bei dieser Firunskälte überhaupt noch jemand den Hammer schwingt.

Emmerans Versuch, die Gruppen der Arbeiter in dem Abschnitt vor uns zusammenzurufen, gelingt nur mühsam. Zögerlich legen die Zimmerleute ihre Hämmer nieder und die Maurer die Kellen zur Seite, um zu uns zu kommen. Wie mir scheint eher aus Neugierde als aus Autoritätshörigkeit. Nach der kurzen Ansprache und Vorstellung unserer Personen durch Emmeran bestätigt sich mein Eindruck. Man glaubt uns nicht, dass Waldemar einen so bunten Haufen Fremder aus geschickt habe um die Arbeiten an der Baustelle zu überprüfen. Erst nach mehrmaliger Ermahnung geben die Arbeiter Ruhe und lauschen Emmerans Erläuterungen zu unserer Aufgabe. Er erklärt Ihnen, dass wir hier sind um die Deserteure aufzuspüren und zu bestrafen. Auch wenn ich es nun schon seit Jahren gewohnt bin, staune ich dennoch immer noch, wie leicht Emmeran eine Lüge über die Lippen kommt, auch wenn es wie in diesem Fall nur eine Notlüge ist.

Die Nachricht über unsere Ankunft verbreitete sich anscheinend sehr schnell, denn kurze Zeit später treffen wir auf Vogt Bärwiss. Er ist nicht begeistert darüber, dass wir seine Arbeiter von ihrer Tätigkeit abgehalten haben und ermahnt uns das zu unterlassen. Die Liste mit den Deserteuren hat er in der Bauhütte für uns hinterlegt. Auf Emmerans Frage nach dem Baron von Menzheim, berichtet der Vogt uns, dass dieser seit Winteranbruch, vermutlich aufgrund der schlechten Straßenverhältnisse, nicht mehr bei der Baustelle war. Vorher kam dieser jedoch regelmäßig. Die Frage des Vogts, wer uns von dem Baron erzählt habe, beantworte ich wahrheitsgemäß und erzähle ihm von Sapallyo. Der Vogt hat schon von diesem südländischen Pfau gehört, um den sich allerlei Gesindel schart. Sapallyo hätte sich nach Information des Vogts mit einigen durchreisenden Abenteurern getroffen. Glücklicherweise hakt der Vogt nicht nach, warum uns denn der Baron genau interessiere.

Nachdem der Vogt uns wieder verlassen hat, fangen wir an die einzelnen Arbeiter nach den Verschwundenen zu befragen. Durch die Gesprächen bestätigt sich unsere Annahme und je mehr wir hören, desto sicherer werden wir, dass auch hier ein Vampir sein Unwesen treibt. Alle Verschwundenen haben ihre Sachen in den Unterkünften gelassen. Niemand hat vorher geahnt, dass die Verschwundenen gehen wollten usw. Wenn einer verschwunden ist, dann immer in der Nacht, obwohl das meist erst am Anfang der Tagschicht auffiel. Auch in Altnorden gibt es wieder einen Zusammenhang zum Mondwechsel. Nach der Neumondwoche sind gleich zwei oder drei Leute verschwunden.

Wir schauen uns noch die Unterkünfte an und kommen schließlich zu dem Schluss, dass der Vampir die Arbeiter auf der Baustelle abgreifen muss. Alle Unterkünfte werden zu mehreren Leuten bewohnt und sind nicht groß genug, als dass sich dort ein Vampir verstecken könnte. Aus dieser Feststellung ergeben sich zwei Fragen. Wo sind die Leichen? Wer kann unbemerkt auf der Baustelle um hergehen ohne hier zu wohnen?

Die erste Frage lässt sich leicht beantworten. Der Wald um die Baustelle ist riesig und einzeln versteckte Leichen würde man wohl erst im Frühjahr wiederfinden. Eine grobe Suche am Waldrand durch Emmeran und mich bleibt dann auch, erwartungsgemäß, erfolglos.

Die zweite Frage beantwortet sich, als wir in dieser Nacht auf die Baustelle gehen. Es ist eine dermaßen pechschwarze Nacht, dass man die Hand vor Augen nicht sieht. Einzig die einzelnen Fackeln und Feuerkörbe spenden ein wenig Licht, wenn man sich in Ihrer Nähe aufhält. Ein Fremder würde hier nicht entdeckt werden. Wir treffen in dieser Nacht auf den Vorarbeiter Wolfhart und er bietet an, uns die Stellen zu zeigen, an denen die Leute verschwunden sind bzw. an denen die Leute zuletzt gearbeitet hatten. Das Angebot nehmen wir gerne an und er führt uns über die Baustelle zu einigen mittlerweile fast fertig gestellten Bauabschnitten. Es ist erstaunlich wie behände er sich über den unebenen Grund bewegt und wie selbstverständlich er Gegenständen ausweicht. Er muss sich wirklich gut auf seiner Baustelle auskennen. Auf die Frage hin, ob denn auch Material oder Werkzeug verschwunden wäre, antwortet er, dass in seiner Schicht nichts weggekommen sei, aber wenn wir in diese Richtung ermitteln wollen, wohl eher Halmans Schicht in Frage käme. Halman ist der zweite Vorarbeiter auf der Altnordener Baustelle. Wir fragen Wolfhart noch, ob er auch in den Unterkünften der Arbeiter wohnen würde, was er allerdings verneint. Die Vorarbeiter würden in der Stadt wohnen. Wolfhart allein und Halman zusammen mit seiner Frau. Die Orte, zu denen uns Wolfhart führt, sind allesamt gewöhnlich und bringen uns kein Stück weite.

Auf dem Rückweg zeigt sich wieder die außergewöhnliche Geschicklichkeit Wolfharts und unser Magus lässt es sich nicht nehmen, heimlich eine magische Analyse durchzuführen. Er kommt zu der Erkenntnis, dass dem Vorarbeiter eine geringe Magie innewohnt.

Da es schon in den frühen Morgenstunden ist, beschließen wir zum Gasthaus zurück zu kehren. Einzig Emmeran versucht noch die Gunst der Stunde zu nutzen und Wolfharts Haus zu finden. Aber aufgrund der späten Stunde und keinerlei Vorstellung wo das Haus in etwa liegen könnte, bleibt er erfolglos.

Altnorden, 10ter Boron 1016 BF

Beim Frühstück treffen wir erneut auf Sapallyo. Er ist gerade in das Studium einiger Unterlagen vertieft als ich an seinen Tisch trete und ihn frage ob er etwas gegen unsere Gesellschaft einzuwenden habe. Er verneint und räumt die Unterlagen weg. Nachdem ich das Frühstück bestellt habe, frage ich ihn gerade heraus, was er von Vampiren weiß. Ich halte nicht sehr viel von dem um den heißen Met herumreden, wie es die anderen in unserem letzten Gespräch mit Sapallyo getan haben. Er scheint diesen offenen Start zu begrüßen und erzählt uns was der Volksmund sagt und das er sich früher ein wenig mit diesem Thema beschäftigt, es dann aber habe ruhen lassen. Vor kurzem habe er sein Wissen dann wieder aufgefrischt. Die Abschrift des schwarzen Buches in Altnorden habe ihn dabei allerdings eher verwirrt als aufgeklärt. Ich rufe mir die Passage nochmals ins Gedächtnis und muss ihm recht geben.

Als er uns erzählt, dass er einer ähnlichen Spur folgt wie wir, beginnen wir uns auszutauschen. Er berichtet von einem Vampir in Rudein, der allerdings zur Strecke gebracht worden sei und wir berichten von Moosgrund. Da er schon von Vampiren im Westen gehört hat, ist er erfreut das diese Gerüchte nun durch uns bestätigt worden sind. Auf die Frage hin, wie denn der Vampir in Rudein sein Ende gefunden hat, erzählt er, dass man wohl den Schlafplatz des Vampirs mit Erde aus seiner Heimat umkreist hat. Als dieser sich dann zum schlafen legte, hat man ihn mit dem Stock aus einem Herdfeuer erschlagen. Es bestätigt sich was Ludo gesagt hat, jeder der Vampire hat eine Nemesis. In diesem Fall wohl Travia. Warum allerdings der Vampir aus Rudein, der zu Lebzeiten als Holzschnitzer gearbeitet hat, gerade von Travia verflucht war, ist mir nicht klar.

Zu den aktuellen Vorfällen in Altnorden teilt uns Sapallyo mit, dass er die Vorarbeiter verdächtigt und auch weiß, wo die beiden wohnen.