Ullgreins Flucht

Menzheim, 12. Boron 1016

Während sich vor den Toren seiner Residenz das Ende des Barons von Menzheim vollzieht, ergeht sich seine Tochter in erotisch-tödlichen Spielereien mit Emmeran. Wie Emmeran uns später berichtet, beginnt die Baroness Ullgrein ihre Annäherungen durch zärtlich-festes massieren seines Rückens. Emmeran lässt sich auf das Schauspiel, bei dem die Baroness das Ziel verfolgt, ihm ihre Zähne in den Hals zu rammen, todesmutig ein, ist ihm doch klar, dass Cordovan Zeit benötigen wird, Baron Mersingen-Eberstamm zur Strecke zu bringen. Emmeran lockt die Baroness in den Zuber und lässt sich weiterhin von ihr verwöhnen. Dabei gibt er den nichts ahnenden Liebhaber recht überzeugend, jedenfalls schließe ich das aus der Dauer, die das Ganze von statten ging. Emmeran wartet bis zu dem Moment, in dem die Baroness zu einem „Kuss“ ansetzt. Er gewinnt ein paar Sekunden, indem er sie dazu bringt, sich vorher zu entkleiden. Den kurzen Moment nutzt er, um durch einen Zauber Krähen zu rufen, die sich auf die Baroness stürzen. Während Ullgrein zu schreien beginnt und Flüche ausstößt, rennt Emmeran so wie die Zwölfe ihn schufen in die Halle. Dort wird er von einer der Wachen aufgehalten, die Emmeran davon überzeugen kann, gemeinsam seinen Mantel zu holen. An der Garderobe lehnt auch Emmerans Spieß, dessen er keinen Augenblick zu früh habhaft wird, kommt doch die Baroness schreiend die Treppe aus dem ersten Stock in die Empfangshalle heruntergestürzt.

Dies ist draußen deutlich zu hören und einige der Umstehenden begeben sich auch recht zügig nach drinnen. Auch Cordovan und ich folgen. Als wir eintreffen, breitet sich Richtung Garderobe eine offensichtlich magisch hervorgerufene Dunkelheit aus. Cordovan gebietet der Baroness, die sich zu der dunklen Stelle vorzudringen gedenkt, einzuhalten. Er fordert sie zum Duell, worauf sie jedoch nicht eingeht. Stattdessen will sie Emmeran töten, der durch zaubern die Gastfreundschaft der Menzheims schwer beleidigt habe und den sie offensichtlich im magischen Dunkel vermutet. Ein Wachmann ist bereits dabei, mit einem Speer von außen in dieser herumzufuchteln.

Nachdem Cordovan einen energischen Schritt auf die Baroness zu macht, dreht diese sich um. Einen ihr im Weg stehenden Wachmann wüst zur Seite drückend, rennt sie die Treppe hoch in den ersten Stock. Cordovan nimmt kurz die Verfolgung auf, muss dann aber den Schmerzen seiner im Kampf erhaltenen Wunden Tribut zollen. In dem Moment, in dem ich noch überlege, ob ich mich um Cordovan kümmere oder aber herauszufinden versuche, wohin die Baroness verschwunden ist, höre ich Hilferufe Emmerans. Er kommt unbewaffnet aus der Dunkelheit gewankt und hält sich die Hände vor seine Augen. Die Baroness soll ihn geblendet haben.

Emmeran kommt jedoch schnell wieder zu sich, aus den Hilfsgesuchen werden deutliche Befehle an eine Wache, ihm bitte endlich seine Sachen zu bringen. Cordovan baut sich schwer angeschlagen vor dem Seneschall auf und befiehlt diesem wiederum das Haus mit Männern zu umstellen. Leider kann ich Cordovans Bitte, mich schnell – womit er wohl magisch meint – um seine Wunden zu kümmern, nicht nachkommen, ohne dass ich meine letzten magischen Energien aufbrauche. Während ich mit mir ringe, hören wir ein lautes Krachen aus dem oberen Stockwerk. Es klingt, als habe ein schwerer, von einem Katapult geschleuderter Brocken das Haus getroffen. Emmeran, Sapallyo und ich rennen nach draußen, Cordovan, sich nicht zum ersten Mal auf dem Weg zu Boron wähnend, nach oben.

Emmeran und ich erblicken auf der Seite des Hauses ein großes Loch an der Stelle, an der das Dach auf die Hauswand trifft. Da wir nur wenig Schutt im Schnee ausmachen können, muss der Großteil im Inneren des Anwesens liegen, der Druck also von außen gekommen sein. Nachdem sich unsere Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben, nehmen wir auf dem Dach oberhalb des Lochs eine wahrlich Furcht einflößende Gestalt wahr. Es ist ein großes schwarzes Wesen, das sicherlich die Ausmaße eines Stieres hat, dessen genaue Körperform wir jedoch nicht erkennen können. Wahrscheinlich hat es Flügel, wie soll es sonst auf dem Dach gelandet sein? Vereinzelt hören wir von drinnen Stimmen, können aber nicht mehr sagen, als dass es sich um Cordovan und die Baroness handelt. Bevor letztere dann nach ein paar Minuten aus dem Loch getreten kommt und mit dem großen Etwas davonfliegt, vernehmen wir einmal ein tiefes, markerschütterndes Grollen von dem sicherlich dämonischen Wesen – eine Analyse traue ich mir gerade nicht zu, auch will ich nicht die Aufmerksamkeit auf uns lenken. Nachdem das Wesen abgehoben hat, rennen wir in das Haus, in dessen Eingangshalle wir die Zwölfe seinen Dank Cordovan antreffen.

Noch bevor Cordovan uns kurz berichtet, versucht Emmeran die Belegschaft zu beruhigen, indem er all das, was passiert ist, den magischen Kräften der Baroness zuschreibt. Wie bei seinen Künsten nicht anders zu erwarten gelingt ihm das weitgehend. Während diese sich zerstreuen, berichtet Cordovan uns, dass er sich von einem Diener den Weg in das Zimmer der Baroness hatte weisen lassen. Als er eintrat, habe diese dort in Richtung eines großen Lochs in der Außenwand geschaut. Nachdem er ihre Aufmerksamkeit gewonnen hatte, wurden beide durch das Grollen abgelenkt. Der Diener zog wie auch die Baroness und Cordovan seine Waffe, wurde aber von Cordovan vorsichtshalber nach unten geschickt. Ein wirklicher Kampf zwischen Cordovan und der Baroness kam jedoch nicht zustande, was bei Cordovans Zustand sicherlich sein und vor allem unser Glück war. Zuerst wich die Baroness einer seiner Finten aus, dann steckte sie zu Cordovans Überraschung ihre Waffe weg und verabschiedete sich von ihm. Seine Versuche, sieh am Gehen auch mit Waffengewalt zu hindern, verpufften, so Cordovan. Sie ließ sich nicht festhalten, auch ein starker Hieb in die Schulter schien ihr nichts anzuhaben, sie habe die Schulter einfach wieder gerade gerückt und sei aus dem Loch gestiegen. Das Wesen habe sie als ihr Werkzeug bezeichnet, so erinnert er sich noch.

Nun durchsuchen wir den Sitz der Menzheims, wobei wir wenig Interessantes erfahren. Wir finden zwar einen Sarg mit Silberbeschlägen, den der Baron in Baliho hat fertigen lassen. Auch bestätigen die Bediensteten, dass der Baron und seine Tochter ihre Lebensgewohnheiten in den letzten Monaten geändert hätten, sie zum Beispiel immer weniger aßen, die Nacht zum Tage machten und die Baronin schon länger von Gelüsten geplagt wurde. Jedoch einen Hinweis auf das große Wesen und die Vampirwerdung der Baroness finden wir nicht. So begeben wir uns um einen getöteten Vampir und viele Fragen reicher zurück zum Gasthaus.

Aus den Aufzeichnungen von
Wolfhart Raibridar von Horigan zu Welmshof,
Baron von Falkenberg, Ehrenbürger von Gratenfels,
Adept der Schule der Beherrschung zu Neersand
Beauftragter des Herzogs Waldemar von Weiden