Die Sage vom Wundertal
Aus “Sagen und Mythen des Finsterkamms”, gesammelt von Alborn von Hengisfort, 902 BF, gefunden in der Bibliothek des Ordens der Hüter auf Kloster Arras de Mott.
“Einst, als die Weiten noch unerforscht und noch alle Menschen gottesfürchtig waren, lebte der Bauer Arnkiel friedlich und glücklich an einem bergigen Hang. Vor seinem Haus lag eine kleine Ebene, auf der er tagein, tagaus und Jahr für Jahr seinen Acker bestellte. Er huldigte den Zwölfen und ward von Peraine gar manches Jahr mit üppigen Ertrag beschenkt. Und auch wenn es nur ein kleines Fleckchen war, so blieb Arnkiel genug zum Leben - und grad für den grimmen Winter, denn er lebte allein dort oben und war glücklich.
Doch eines Nachts, als der gestrenge Herr Efferd die Wolken aufbrechen ließ, als die tosende Sturmgöttin mit Blitz und Donnergrollen über den Himmel zog und der mächtige Herr Ingrimm an den Felsen des Finsterkamms rüttelte, da ward es auch um die glücklichen Zeiten des Arnkiel vorbei. Er selbst wusste nicht, weshalb ihn die Götter so straften, und so rannte er hinaus ins Freie und flehte in den Himmel, das Unwetter möge aufhören - als geradewegs die brüchigen Wände des Felshanges über ihm zusammenbrachen und ein tosender Erdrutsch des Bauern ganzes Haus und den ganzen Hof verschüttete. Mit bebendem Körper sah der Bauer, wie sein Heim für immer verloren war - doch erkannte er, welchen Wink ihm die Zwölfe wirklich gegeben hatten! Froh, mit heiler Haut auch noch die nächsten Sommer und Winter erleben zu dürfen, dankte er ihnen.
Doch was sollte der arme Arnkiel jetzt anfangen? Sein ganzes Hab und Gut war verloren, sein Hof verschüttet, das Äckerlein auf immer unter Geröll begraben. So beschloss der Bauer schließlich, sich ein neues Fleckchen im Gebirge zu suchen.
Und wie der Arnkiel auf der Suche nach einem neuen Heim durch den Finsterkamm streifte, wurde er eines Morgens gar von dem strahlenden Leuchten einer goldenen Bergkuppe geblendet. Froh ob des Zeichens der Götter - und an Neugier soll’s ihm nicht mangeln - marschierte der Bauer in Richtung dieser goldenen Bergkuppe, als er dort ein wundersames Tal fand! Gar merkwürdig sah es ihm aus, voller Leben und gar ungewöhnlich hier im kargen Gebirge.
Vorsichtig und mit klopfendem Herzen durchstreifte er das wundersame Tal, als er auf einer Lichtung furchtbar seltsamer Gestalten gewahr wurde. Schnell versteckte er sich in einem großen Strauch in der Nähe, denn womöglich waren es Räuber, die ihm seine Stiefel stehlen wollten. Doch wie Arnkiel nun in dem Gebüsch hockte und seine Ohren spitzte und auch genau hinschaute, da war ihm plötzlich gewiss, dass dies mitnichten böses Gesindel war, ja nicht einmal menschliche Wesen überhaupt. Und auch keine Schwarzpelze oder Rotpelze oder furchtbares Drachengetier. Nein, es waren die Elementarherren, die in diesem Tal ganz offen Rat in ihren Angelegenheiten hielten.
Arnkiel nun war sehr aufgeregt, doch er lauschte weiter, um alles zu hören, was sie besprachen. Dabei neigte er jedoch seinen Kopf immer mehr aus dem Gebüsch - und schließlich fiel er heraus mit einem lautem Poltern, und die Elementare wichen erschrocken zurück ob des unerwarteten Gastes.
Nachdem sie aber wusste, dass es nur der Bauern Arnkiel war und kein Scherge des Dämonensultans, da halfen sie ihm hoch und schauten ihm ernst in die Augen: “Bäuerlein, keinem Sterblichen ist es erlaubt, dieses Tal zu betreten, oder gar, in ihm zu schauen und zu lauschen”, sprachen sie mit besorgten Stimmen. Arnkiel jedoch, der nicht wusste, dass es mächtige Elementarherren waren, erzählte nun, dass er ganz unabsichtlich hierher geraten war und auch gleich wieder gehen wolle.
Die Elementare wollten Gnade walten lassen und verpflichteten Arnkiel zu großem Stillschweigen über dieses Tal. Als Gegenleistung wollten sie ihm drei Wünsche erfüllen, auf dass er nicht weiter der rastlose Wanderer war, sondern sich sein Schicksal wieder zum Guten wendete.
Bauer Arnkiel war einverstanden. Er verließ das Tal, wünschte sich als erstes ein Haus, als zweites einen Hof und als drittes einen kleinen Acker und lebte glücklich und zufrieden bis an sein Lebensende.”