Travianes Brief an Serafinja
Irgendwo auf der Reichsstraße, Anfang Rahja 1023 BF
Liebste Serafinja,
Ich befinde mich auf der Reise in meine alte Heimat. Die Göttin Rahja schenkt uns einen warmen Sommer und die feierliche Übernahme unserer Baronie Falkenwind steht kurz bevor. Mein Neffe Allerich von Falkenwind hat seine Knappschaft auf Burg Silz abgeschlossen und den Ritterschlag erhalten. Er soll meine Schwägerin Rahjagunde nun ablösen die, wie du ja weißt, die Geschicke der Baronie nach dem Tod von Greifbert geleitet hat. Fast ein Jahr ist es nun her, dass mein lieber Bruder von Boron geholt wurde und der Gedanke an ihn lässt mich immer noch in Trauer versinken. Neben der Trauer treiben mich weitere düstere Gedanken um. Seit einigen Wochen bringen mich Visionen um meinen borongefälligen Schlaf. Sie künden von Verrat und großer Gefahr für meinen lieben Neffen. Ich hoffe nur, dass meine Ankunft auf Falkenwind nicht mit einer weiteren schrecklichen Neuigkeit begrüßt wird.
Seit dem gestrigen Vormittag bin ich mir sicher, dass meiner Familie finstere Zeiten bevorstehen. Nur knapp und mit Travias Hilfe bin ich den Häschern des Rattenkindes entkommen. Wir hatten gerade eine kleine Pause eingelegt, als aus dem Unterholz eine Flut von Wolfsratten auf uns hereinbrach. Ich habe immer noch ihren fauligen Geruch in der Nase und wenn ich die Augen schließe sehe ich wieder ihre verschlagenen, gelben Augen. Als wäre das aber nicht genug des Grauens, so sind auch noch einige hundsgroße Spinnen über unsere Pferde hergefallen. Feiran und Elbrecht haben gekämpft wie die Löwen um mich zu verteidigen, doch es waren einfach zu viele. Sicherlich könnte ich dir heute diese Zeilen nicht mehr schreiben und würde, wie meine beiden Begleiter, nun auf Rethon gewogen, wenn nicht Travias gütige Hand, mir einige tapfere Recken in Begleitung eines Gänseschwarms geschickt hätte. Navadanion, Elea, Helme und Jasper standen mir bei und gemeinsam gelang es uns, die Brut zu vertreiben.
Ich habe mich meinen Rettern anvertraut und sie gebeten mich nach Falkenwind zu begleiten um meine Augen und Ohren zu sein. Ich denke, dass wer auch immer meinem Neffen etwas anhaben will, diesem zufälligen Zusammentreffen keine Bedeutung beimessen wird. Die Vier können daher sicherlich mit Leuten sprechen und Fragen stellen, ohne beobachtet zu werden. Ich hoffe nur, dass es die Gesandten Travias vermögen, meinen Neffen zu schützen. Bei mir bin ich da nicht so sicher. Was auch immer geschehen soll, wird während der traditionellen Jagd zur Amtseinführung passieren.
Ich weiß nicht ob ich dir je davon erzählt habe, aber es ist in meiner Familie Tradition, dass die Ernennung des neuen Barons mit einer Jagd einhergeht. Bei dieser Jagd, so erzählen es die Geschichten, soll der legendäre weiße Hirsch im Reichsforst gestellt werden. Wer noch von der letzten Jagd zur Erhebung meines Bruders berichten kann, behauptet steif und fest, dass dieser Hirsch tatsächlich gesichtet wurde. Erlegt wurde er aber niemals, so dass ich das eher für ein traditionell gepflegtes Märchen halte. Aber wer weiß, vielleicht täusche ich mich ja und in diesem Jahr werde ich selbst diesen sagenhaften Bock erblicken.
In einigen Wochen, sofern Travias Feuer weiter in mir brennt, werde ich dir hoffentlich mit freudigeren Zeilen berichten, wie sich alles zum Guten gewendet hat. Bis dahin verbleibe ich
In inniger Liebe
Traviane